Kranke Mitarbeiter behalten Urlaubsanspruch
Ein Paukenschlag aus Luxemburg Anfang 2009 ließ die Arbeitgeber aufhorchen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer jahrelangen Rechtsprechungspraxis des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gebrochen, indem er entschieden hat, dass Mitarbeiter ihren Anspruch auf Jahresurlaub nicht verlieren, wenn sie den Urlaub krankheitsbedingt nicht antreten konnten. Nach der Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer, der seit 1971 für seinen Arbeitgeber tätig war, wurde von seinem Arzt seit 1995 immer wieder über längere Zeiträume krankgeschrieben. Im Jahr 2004 arbeitete er bis Anfang September durchgehend, ohne krank zu werden. Danach war er bis zur Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses am 30.09.2005 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Er forderte in der Folge von seinem Arbeitgeber für die Jahre 2004 und 2005 Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubs in Höhe von 14.000 €. Der Arbeitgeber weigerte sich jedoch, der Forderung nachzukommen. Daraufhin erhob der Mitarbeiter Zahlungsklage. Der Rechtsstreit ging durch die Instanzen und landete schließlich beim EuGH. Dieser hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die bislang zur Anwendung kommende deutsche Rechtsprechungspraxis überhaupt mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist. Das BAG hatte in solchen Fällen stets entschieden, dass der Anspruch des Mitarbeiters auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs am Ende des Kalenderjahres, spätestens am Ende des Übertragungszeitraums (31.03.), verfällt. Und zwar auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig war und deshalb keinen Urlaub nehmen konnte.
Das sagt der Richter
Die europäischen Richter erteilten der langjährigen Rechtsprechungspraxis des BAG eine klare Absage. Es sei ein Verstoß gegen den in der Arbeitszeitrichtlinie verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn dieser Anspruch untergehe, weil Mitarbeiter während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon arbeitsunfähig krank waren und aus diesem Grund keinen Urlaub nehmen konnten. Dies gelte insbesondere auch für die Fälle, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fortgedauert habe. Hier müsse der nicht genommene Urlaub finanziell abgegolten werden. Die Abgeltung sei so zu berechnen, als hätte der Mitarbeiter seinen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Maßgeblich sei deshalb die übliche Vergütung, die dem Mitarbeiter während des Jahresurlaubs bezahlt worden wäre. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dürfe nur entfallen, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch geltend zu machen. Bei einem krankgeschriebenen Mitarbeiter sei dies nicht der Fall (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, Az.: C-350/06 und C-520/06).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein arbeitnehmerfreundliches Urteil, das den Unternehmen Mehrkosten verursacht. Im Klartext bedeutet die Entscheidung, dass ein Arbeitgeber unter Umständen über Jahre nicht genommenen Urlaub finanziell abgelten muss.
Checkliste zum Download
Mit unserer Checkliste können Sie überprüfen wann Sie verpflichtet sind, Urlaub finanziell abzugelten.
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