Arbeitgeber darf Mitarbeiter nicht aus dem Urlaub holen
Bei folgendem Schreckensszenario liegen die Nerven bei Arbeitgebern aus nachvollziehbaren Gründen blank: Die Urlaubszeit ist angebrochen, ein Großteil der Mitarbeiter aalt sich in der Sonne in fernen Gefilden und urplötzlich flattert ein lukrativer Großauftrag ins Haus. Aufgrund der urlaubsbedingten personellen Unterbesetzung droht der Deal zu platzen. Nun ist guter Rat teuer. Was tun? Die Mitarbeiter aus dem wohlverdienten Urlaub zurück zitieren bzw. auffordern, ihren Urlaub zu verschieben?
Die Rechtsprechung gibt hier eine klare Antwort: Ein einmal genehmigter Urlaub darf nur dann widerrufen werden, wenn ansonsten die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war als Software-Entwickler in einem Unternehmen beschäftigt. Er beantragte Urlaub, den ihm sein Arbeitgeber auch wunschgemäß genehmigte. Kurz darauf fielen einige Kollegen des Mitarbeiters krankheitsbedingt aus. Der Arbeitgeber befürchtete aufgrund der Unterbesetzung organisatorische Schwierigkeiten und forderte deshalb den Software-Entwickler auf, seinen Urlaub um zwei Wochen zu verschieben. Dieser weigerte sich jedoch hartnäckig und verabschiedete sich in die Ferien. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen eigenmächtiger Urlaubnahme. Der Mitarbeiter erhob nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub Kündigungsschutzklage.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts ist die Kündigung unwirksam. Arbeitnehmer müssten einen bereits genehmigten Urlaub nicht auf Verlangen des Arbeitgebers verschieben. Ein Urlaub dürfe nur dann widerrufen werden, wenn das Unternehmen ansonsten in wirtschaftlich existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten würde. Bloße organisatorische Schwierigkeiten jedoch reichten dazu noch nicht aus. Das gleiche gelte auch für eine Verschiebung des Urlaubs. Arbeitnehmer müssten schließlich ohne Unsicherheiten planen und disponieren können (ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.05.2006, Az.: 2 Ca 4283/05).
Das bedeutet die Entscheidung
Nach der Rechtsprechung sollen die Mitarbeiter im Urlaub nicht ständig fürchten, zurückgerufen zu werden. Schließlich dient der Urlaub auch dazu, die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer wiederherzustellen. Ist der Urlaub erst einmal genehmigt, so ist der Mitarbeiter uneingeschränkt von der Arbeitspflicht befreit und darf seine Zeit selbstbestimmt einteilen. Vertragsklauseln, die Rückrufaktionen oder einen Urlaub unter Vorbehalt ermöglichen, sind unwirksam.
Wichtiger Hinweis
Nur bei Naturkatastrophen, z. B. Überschwemmung des Werksgeländes, Brand eines Gebäudes, oder einer existenzbedrohenden Krise des Unternehmens kann ein Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückgerufen werden.
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