Betriebsratsarbeit während der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie stellt die Arbeitswelt vor große Herausforderungen. Viele Beschäftigte arbeiten im Home Office, bauen Überstunden ab oder befinden sich in Kurzarbeit. Auch für Betriebsräte wirft die aktuelle Situation viele Fragen auf. Wie kann die Betriebsratsarbeit in Anbetracht der geltenden Versammlungseinschränkungen gewährleistet werden und wie ist es um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestellt? Wir beantworten die häufigsten Fragen rund um die Corona-Krise und geben Handlungsempfehlungen für erfolgreiche Betriebsratsarbeit.
pexels.com © Branimir Balogovic
Beschlussfähigkeit des Betriebsrats in Zeiten von Corona
Bei der Corona-Pandemie handelt es sich um eine noch nie da gewesene Ausnahmesituation. Dieser Umstand gibt dem Arbeitgeber aber natürlich nicht das Recht, Beschlussfassungen des Betriebsrats zu untersagen.
Als weisungsunabhängiges Gremium ist der Betriebsrat dazu berechtigt, in eigenem Ermessen darüber zu entscheiden. Gerade in Zeiten, in denen vermehrt Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung geschlossen werden müssen (z.B. Vereinbarung zur Kurzarbeit), stellt sich für Betriebsratsmitglieder die Frage, wie Beschlüsse auch ohne die Teilnahme an Präsenzsitzungen wirksam gefasst werden können.
Im Normalfall erfordert die Beschlussfassung des Betriebsrats die physische Anwesenheit der Mitglieder an den Präsenzsitzungen. Das geht aus §33 BetrVG hervor. In Zeiten, in denen ein Großteil der Beschäftigten von zu Hause aus arbeitet, weigerten sich kürzlich immer mehr Betriebsratsmitglieder, an den Betriebsratssitzungen teilzunehmen, da dies zwangsläufig mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr verbunden wäre.
Eine Beschlussfassung per Telefon- oder Videokonferenz war bislang jedoch grundsätzlich unzulässig, da §30 BetrVG die Nichtöffentlichkeit für Betriebsratssitzungen vorschreibt.
Bisher ging man davon aus, dass sich bei einer Telefon- bzw. Videokonferenz nicht sicherstellen lässt, dass niemand Unbefugtes zusieht oder zuhört. Daran änderte auch die Ministererklärung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nichts, in der er die in einer solchen Sitzung gefassten Beschlüsse für wirksam erklärte. Eine gesetzesändernde Wirkung kann ein Ministerwort in einer parlamentarischen Demokratie schließlich nicht entfalten.
pexels.com © Polina Tankilevitch
Während der Corona-Krise arbeiten viele Arbeitnehmer im Home Office. Das erschwert nicht zuletzt auch die Betriebsratsarbeit enorm.
Virtualisierung der Betriebsratsarbeit
Am 8. April 2020 gab die Bundesregierung bekannt, die betriebliche Mitbestimmung durch die Virtualisierung der Betriebsratsarbeit sicherzustellen. Die Neuregelungen wurden am 23. April 2020 im Bundestag beschlossen und sollen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten. Der Bundesrat tagt dazu am 15. Mai.
Wenn die Entscheidung zugunsten der Virtualisierung der Betriebsratsarbeit ausfällt, wird es Betriebsräten künftig möglich sein, ihre Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen. Dazu müssen jedoch einige grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss sichergestellt sein, dass unberechtigte Dritte keine Kenntnisse über die Inhalte der Sitzungen nehmen können.
- Die Teilnehmer müssen ihre Teilnahme an der Sitzung gegenüber dem Gremiumsvorsitzenden in Textform bestätigen.
- Es ist streng verboten, die Versammlung aufzuzeichnen.
Die Nichtöffentlichkeit kann z.B. dadurch sichergestellt werden, dass die Teilnehmer sich für die Dauer der Betriebsratssitzung in nichtöffentliche Räume begeben und zu Beginn versichern, dass sich nur teilnahmeberechtigte Personen im Raum befinden.
Was tun, wenn Gremienmitglieder nicht an der Betriebsratssitzung teilnehmen können?
Auch in der Corona-Krise gilt: Wenn ein Betriebsratsmitglied wegen Krankheit arbeitsunfähig ist und deshalb nicht an der Betriebsratssitzung teilnehmen kann, muss nach §29 BetrVG ein Ersatzmitglied eingeladen werden. Ist der Betriebsratsvorsitzende verhindert, übernimmt der stellvertretende Vorsitzende seine Aufgaben. Das gilt zwar auch im Falle einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne. Findet die Sitzung aber elektronisch über Video- oder Telefonkonferenz statt, so ist eine Teilnahme auch für Personen in Quarantäne nicht ausgeschlossen.
Das Gremium bleibt beschlussfähig, solange die Mehrheit seiner gewählten Mitglieder an der Sitzung teilnehmen kann. Bei einem neunköpfigen Betriebsrat müssten also mindestens fünf Personen zur Verfügung stehen.
Will der Arbeitgeber das Tragen von Schutzmasken im Betrieb anordnen, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats: Maskenpflicht, Home Office, Kurzarbeit
Auch während der Corona-Krise gelten die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus §87 BetrVG uneingeschränkt weiter. Das gilt zum Beispiel bei dem aktuell viel diskutierten Thema Kurzarbeit. Hier spielt der Betriebsrat eine wichtige Rolle. So muss dieser mitbestimmen dürfen, ob und in welchem Umfang die Kurzarbeit im Unternehmen eingeführt werden soll. Dabei gilt es zu prüfen, ob Alternativen zur Kurzarbeit bestehen und wie die gekürzte Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu verteilen ist.
Achtung
Eine ohne Beteiligung des Betriebsrats angeordnete Kurzarbeit ist grundsätzlich unwirksam.
Ähnliches gilt beim Thema Home Office. Viele Arbeitnehmer arbeiten in Zeiten von Corona von Zuhause aus. Einen Anspruch auf Home Office haben die Beschäftigten allerdings nur, wenn ein bestätigtes Ansteckungsrisiko im Unternehmen vorliegt. Dann sollte der Arbeitgeber in Absprache mit dem Betriebsrat prüfen, ob die Arbeit im Home Office grundsätzlich realisierbar ist und wie sich die technischen Voraussetzungen für alle Betroffenen sicherstellen lassen.
Seit dem 27. April 2020 ist die Mund-Nase-Bedeckung beim Einkaufen und im ÖPNV in allen Bundesländern Pflicht. Insofern nicht ohnehin schon die gesetzliche Pflicht zum Tragen von Schutzmasken im Unternehmen besteht, muss der Betriebsrat an der Entscheidung, ob Mundschutz im Betrieb verpflichtend eingeführt werden soll, beteiligt werden. Der Betriebsrat kann aber auch eigeninitiativ das Tragen der Mund-Nase-Bedeckung vorschlagen. Dann sollte er bereits im Vorfeld das Gespräch mit den Kollegen suchen und auch Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit in die Entscheidungsfindung einbeziehen.
Corona Spezial Webinare für die Betriebsratsarbeit
Eine gute Möglichkeit, um die gewonnene Zeit während der Corona-Krise sinnvoll zu nutzen, sind Weiterbildungsangebote. Das gilt nicht zuletzt für Betriebsratsmitglieder, die auch in Corona-Zeiten von ihrem Schulungsanspruch nach §37 BetrVG Gebrauch machen können.
Um Betriebsratsmitglieder auch während dieser schweren Zeit bestmöglich zu unterstützen, bietet das Poko Institut digitale Weiterbildungsangebote und Corona Spezial Webinare an. Dabei werden aktuelle Themen wie Home Office, Kurzarbeit oder auch die Arbeit auf Distanz mittels Video- und Telefonkonferenzen behandelt. Zusätzlich stellt Poko aktuelle Infos zur Corona-Krise speziell für Betriebsräte zur Verfügung. Die Teilnehmer erhalten so das Wissen, das sie benötigen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben.
- Kommentieren
- 8924 Aufrufe