Justitia im Karneval – So entscheiden die Gerichte
Arbeitsrecht ist Richterrecht. Mit anderen Worten wird das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in weiten Teilen durch die Rechtsprechung geprägt. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht sonderlich, dass auch zum Thema Karneval das ein oder andere wichtige Urteil vorliegt.
Klage des Betriebsrats auf arbeitsfreien Karnevalsdienstag gescheitert
Der Fall aus der Praxis
In einem Versicherungsunternehmen existiert eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Danach gelten die Tage von Montag bis einschließlich Freitag als reguläre Arbeitstage. In den vergangenen 10 Jahren war der Faschingsdienstag jeweils arbeitsfrei. Der Arbeitgeber hatte nun angeordnet, dass am bevorstehenden Karnevalsdienstag normal gearbeitet werde. Damit war der Betriebsrat nicht einverstanden und beantragte deshalb beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber die Anordnung von Arbeit am Karnevalsdienstag ohne seine Zustimmung zu untersagen.
Das sagt der Richter
Der Antrag blieb erfolglos. Nach Auffassung des Gerichts bestimme der Betriebsrat zwar bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) mit. Im Streitfall habe er dieses Mitbestimmungsrecht jedoch bereits ausgeübt, indem er mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen hatte. Nach dieser Betriebsvereinbarung seien die Tage von Montag bis Freitag reguläre Arbeitstage. Eine Ausnahme für den Karnevalsdienstag sei nicht vorgesehen. Um die Weiterführung der jahrzehntelangen Praxis der Arbeitsbefreiung an diesem Tag zu erreichen, müsse der Betriebsrat mit dem Ziel initiativ werden, die Betriebsvereinbarung in diesem Punkt zu ändern. Auf die Frage, ob die Arbeitnehmer einen eigenen Anspruch auf Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag erworben hatten, komme es nicht an (BAG, Beschluss vom 26.10.2004, Az.: 1 ABR 31/03).
Das bedeutet die Entscheidung
Hier gilt es, streng zwischen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und Individualansprüchen einzelner Arbeitnehmer zu unterscheiden. Die Arbeitnehmervertretung kann nicht individuelle Ansprüche von Mitarbeitern durchsetzen. Im Raum steht im Streitfall ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag aus betrieblicher Übung. Diesen Anspruch müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst geltend machen.
Arbeitgeber muss arbeitsfreien Rosenmontag nicht vergüten
Der Fall aus der Praxis
Eine Beschäftigte des öffentlichen Dienstes erschien 1991 am Rosenmontag nicht zur Arbeit. Der Arbeitgeber hatte in den Jahren zuvor regelmäßig Dienstbefreiung am Rosenmontag unter Fortzahlung der Vergütung erteilt. In jedem Jahr war der Dienstbefreiung ein Rundschreiben des Arbeitgebers vorausgegangen, in dem die Dienstbefreiung angeordnet worden war. Wegen des Golfkrieges im Jahre 1991 wies der Arbeitgeber in einem Rundschreiben darauf hin, dass die Dienstbefreiung zum Karneval entfalle. Die Beschäftigte erwirkte darauf hin eine einstweilige Verfügung, wonach ihr für den Rosenmontag freizugeben sei. Zur Frage der Vergütungspflicht des Arbeitgebers während der Dienstbefreiung enthielt die einstweilige Verfügung keine Ausführungen. Der Arbeitgeber kam der Anordnung nach, kündigte jedoch in einem Schreiben an, für den Tag der Dienstbefreiung keine Vergütung zu gewähren. Der Beschäftigten wurde weiter mitgeteilt, der Arbeitgeber werde eine entsprechende Rückzahlung verlangen. Dagegen klagte die Beschäftigte.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg, nach Meinung des Gerichts könne der Anspruch der Klägerin nur aufgrund betrieblicher Übung entstanden sein. Die Grundsätze dieses von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstituts würden für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes jedoch nur eingeschränkt gelten. In diesem Bereich sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen wolle. Deshalb müssten selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen wolle, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden sollen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Denn der Arbeitgeber habe gerade Jahr für Jahr die Dienstbefreiung gesondert angeordnet und sich so gerade nicht zu einer uneingeschränkten Leistung bereit erklärt (BAG, Urteil vom 24.03.1992, Az.: 5 AZR 16/92).
Betriebsrat kann Individualansprüche nicht gerichtlich durchsetzen
- Der Betriebsrat kann individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer, die in einer Betriebsvereinbarung ihre Grundlage haben (Freistellungs- und Vergütungsansprüche an den Karnevalstagen), nicht zum Gegenstand eines Durchführungsanspruchs machen.
- Ist der Arbeitgeber bereit, den Arbeitnehmern zur Teilnahme an Karneval in dem bisherigen Umfang Freizeit zu gewähren, so fehlt es hinsichtlich der Frage der Vergütungspflicht an einem Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung (LAG Köln, Beschluss vom 17.02.2006, Az.: 6 Ta 76/06).
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