Arbeits- und Sozialversicherungsrecht 2010 – Entscheidende Neuregelungen für die Personalarbeit
Zum Jahreswechsel 2010 tritt eine Vielzahl von Änderungen und Neuregelungen in den Bereichen Arbeitsrecht und Sozialrecht in Kraft, die Arbeitgeber, Personaler aber auch Arbeitnehmer unbedingt beachten sollten. Die folgende Darstellung orientiert sich vor allem an den offiziellen Verlautbarungen des Bundesarbeitsministeriums.
Kurzarbeitergeld - Verlängerung der Bezugsfrist auf 18 Monate
Seit 1. Januar gilt eine neue Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld. Der Bezug von Kurzarbeitergeld wird auf bis zu 18 Monate verlängert. Arbeitgebern, die im Vertrauen auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation keine Entlassungen vornehmen, soll so Planungssicherheit gegeben werden. Ohne eine neue Regelung würde die Bezugsfrist für Kurzarbeit, die in 2010 begonnen wird, entsprechend der gesetzlichen Regelung lediglich maximal sechs Monate betragen. Die Verlängerung auf 18 Monate gilt für Betriebe, die mit der Kurzarbeit in 2010 beginnen.
Wichtiger Hinweis
Für Betriebe, die mit der Kurzarbeit schon 2009 begonnen haben, gilt weiterhin eine Bezugsfrist von 24 Monaten.
Von dieser Regelung unabhängig bleibt es außerdem bei den besonderen Erleichterungen der Kurzarbeit durch die Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung, so z. B. die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Diese Regelung ist im SGB III geregelt und gilt bis zum 31. Dezember 2010.
Neue pauschalierte Nettoentgelte für Kurzarbeitergeldberechnung
Die für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes zugrunde zu legenden sogenannten pauschalierten Nettoentgelte werden zum 1. Januar 2010 angepasst. Das Kurzarbeitergeld beträgt für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind 67 Prozent und für die übrigen Arbeitnehmer 60 Prozent der so genannten Nettoentgeltdifferenz in einem Kalendermonat. Die Nettoentgeltdifferenz ist die Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Soll- und dem Ist-Entgelt. Das Soll-Entgelt ist das Arbeitsentgelt ohne den Arbeitsausfall. Das Ist-Entgelt ist das in Folge des Arbeitsausfalls geminderte Arbeitsentgelt.
Achtung - Erhöhung der Insolvenzgeldumlage
Der Umlagesatz der Arbeitgeber für das Insolvenzgeld für das Jahr 2010 wird drastisch auf 0,41 Prozent erhöht
Neue Regeln zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer
Die Definition der qualifizierten Beschäftigung im Ausländerbeschäftigungsrecht wurde an die des Berufsbildungsgesetzes angepasst. Bislang wurde die qualifizierte Beschäftigung im Ausländerbeschäftigungsrecht als eine Tätigkeit definiert, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung voraussetzt. Entsprechend dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung liegt eine qualifizierte Beschäftigung im Ausländerbeschäftigungsrecht künftig vor, wenn eine mindestens zweijährige Berufsausbildung gegeben ist.
Im weitern dürfen auch sogenannte Konsulatslehrer auch über den 31. Dezember 2009 hinaus zur Erteilung muttersprachlichen Unterrichts in Schulen unter der Aufsicht der jeweiligen berufskonsularischen Vertretung in Deutschland zugelassen werden. Die Ende 2009 auslaufende Regelung wurde durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung unbefristet verlängert.
Langzeitarbeitslose – Perspektive 50plus erreicht drei Viertel des Bundesgebietes
Seit 1. Januar 2010 erreicht das Bundesprogramm "Perspektive 50plus - Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen" mehr als drei Viertel des Bundesgebietes. 57 weitere Grundsicherungsstellen wollen sich dem Bundesprogramm anschließen. Damit wären dann insgesamt 349 Arbeitsgemeinschaften, Optionskommunen und Arbeitsagenturen an den 62 Beschäftigungspakten beteiligt. Die Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen, die vom Bundesprogramm und den Beschäftigungspakten profitieren, erhöht sich dadurch weiter.
Neues Gendiagnostikgesetz
Die arbeitsrechtlichen Regelungen des Gendiagnostikgesetzes treten am 1. Februar 2010 in Kraft. Nach dem Gesetz sind genetische Untersuchungen am Arbeitspatz grundsätzlich verboten. Die Federführung für das Gendiagnostikgesetz obliegt dem Bundesministerium für Gesundheit.
Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt
Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2010 unverändert 19,9 Prozent in der allgemeinen Rentenversicherung und 26,4 Prozent in der knappschaftlichen Rentenversicherung.
Künstlersozialversicherung wird günstiger
Der Abgabesatz der Künstlersozialabgabe wird von 4,4 Prozent auf 3,9 Prozent gesenkt.
Praxis-Tipp
Durch die Beitragsabführung an den Gesundheitsfonds erhalten die Krankenkassen von der Künstlersozialkasse keinen Nachweis über die Beiträge der einzelnen versicherten Künstler und Publizisten mehr. Um Probleme bei der Berechnung von einkommensabhängigen Entgeltersatzleistungen etc. zu vermeiden, wird die Meldepflicht um einen automatisierten monatlichen Melde- und Beitragsnachweis an die zuständige Krankenkasse ergänzt.
Die neuen Sozialversicherungsrechengrößen
Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2010 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im Jahr 2008 aktualisiert. Das Verordnungsverfahren und die Festlegung der Werte erfolgen in sich jährlich wiederholender Routine auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen. Die Rechengrößen der Sozialversicherung 2010 im Überblick:
Sozialversicherungsrechengrößen |
Monat (West) |
Jahr (West) |
Monat (Ost) |
Jahr (Ost) |
Beitragsbemessungsgrenze: |
5.500 € |
66.000 € |
4.650 € |
55.800 € |
Beitragsbemessungsgrenze: |
6.800 € |
81.600 € |
5.700 € |
68.400 € |
Beitragsbemessungsgrenze: Arbeitslosenversicherung |
5.500 € |
66.000 € |
4.650 € |
55.800 € |
Versicherungspflichtgrenze: |
4.162,50 € |
49.950 € |
4.162,50 € |
49.950 € |
Beitragsbemessungsgrenze: |
3.750 € |
45.000 € |
3.750 € |
45.000 € |
Bezugsgröße in der Sozialversicherung |
2.555 € |
30.660 € |
2.170 € |
26.040 € |
Vorläufiges Durchschnittsentgelt pro Jahr in der Rentenversicherung: 32.003 €.
Mindestbeitragsatz in der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2010 weiterhin 79,60 Euro.
Neue Entgeltbescheinigungsrichtlinie jetzt in Kraft
Um einen einheitlichen Mindeststandard zur Ausstellung einer Entgeltbescheinigung zu erreichen, hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenwirken mit zahlreichen Vertretern der Wirtschaft und der Betreiber von Entgeltabrechungsprogrammen auf einen einheitlichen Mindeststandard geeinigt. Damit wird eine vergleichbare Lesbarkeit der Bescheinigungen durch den gleichen Aufbau und standardisierte Begriffe gesichert. Dies vereinfacht nicht nur die Lesbarkeit für die Beschäftigten oder gegebenenfalls Personen, die diese Bescheinigungen vorgelegt bekommen, sondern erreicht erstmalig die einheitliche Verwendung und Definition von Entgeltbegriffen in der Abrechnung. Mittelfristig versprechen sich alle Beteiligten davon auch Entlastungen in den Arbeitsabläufen der Arbeitgeber bei Neueinstellung von Beschäftigten und im Bereich des Bescheinigungswesens. In unserem Beitrag: Neue Entgeltbescheinigungsrichtlinie gilt ab 2010 gibt ‘s weitere Informationen!
Start des Elektronischen Entgeltnachweisverfahrens (ELENA)
Zum 1. Januar 2010 startet mit der erstmaligen Meldung der Beschäftigtendaten durch die Arbeitgeber an die Zentrale Speicherstelle bei der Deutschen Rentenversicherung das elektronische Entgeltnachweisverfahren (ELENA), dass mittelfristig zu einer erheblichen Entlastung der Arbeitgeber im Bereich des Bescheinigungswesens beitragen soll.
Ab 2012 werden die Bescheinigungen an die Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III, Nebeneinkommensbescheinigung nach § 313 SGB III und Auskunft über Beschäftigung nach § 135 SGB III) sowie die Bescheinigungen für Wohngeld und nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes ersetzt werden. Bis 2012 werden dafür die notwendigen Daten parallel zum bestehenden papiergestützten Bescheinigungsverfahren in der Zentralen Speicherstelle in Würzburg hinterlegt. Hier finden Sie weitere Informationen für Arbeitgeber.
Wichtiger Hinweis
Kurz vor Jahresende entflammte eine lautstarke Kritik der Gewerkschaften bezüglich des Datenschutzes bei ELENA. Anfang Januar erklärte deshalb die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen, dass sie die Kritik an der Datenerfassung ernst nehme. Das Verfahren werde daher an drei Punkten geändert:
- Streikzeiten müssen nicht als solche erfasst werden
- Der ELENA-Beirat, dem auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Arbeitnehmervertreter angehören, soll auf seiner nächsten Sitzung im Januar 2010 noch einmal alle zu erhebenden Daten auf ihre zwingende Notwendigkeit hin überprüfen
- Arbeitnehmervertretern wird noch in diesem Jahr ein im SGB IV gesetzlich verbrieftes Anhörungsrecht eingeräumt, wenn über den Inhalt der zu erhebenden Daten entschieden wird.
Meldeverfahren bei Anschriftenänderung neu geregelt
Ab dem 1. Januar 2010 geben die Meldebehörden der Kommunen Geburten, Anschriftenänderungen oder Sterbefälle direkt an die Träger der Deutschen Rentenversicherung weiter. Dadurch entfallen rund 16 Millionen Meldungen im Jahr. Die aktualisierten Anschriftendaten werden von der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung an die Einzugsstellen und die Bundesagentur für Arbeit übermittelt, um sicherzustellen, dass auch die anderen Sozialversicherungsträger eine aktuelle Anschriftendatei führen.
Neuer Gleitzonenfaktor F im Bundesanzeiger veröffentlicht
Seit 1. Januar 2010 gilt für Beschäftigte in der Gleitzone (400,01 bis 800,00 € Euro Entgelt im Monat) der neue Gleitzonenfaktor 0,7585.
Unfallversicherung: Anpassung des Vermögensrechts
Das bereits durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz neu gestaltete Vermögensrecht ist am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Künftig haben die Unfallversicherungsträger neben Betriebsmitteln und Rücklagen ein eigenständiges Verwaltungsvermögen zu bilden, in dem illiquide Vermögensbestandteile bilanziert werden. Dadurch wird erreicht, dass die Höhe von Betriebsmitteln und Rücklagen zurückgeführt werden kann sowie weniger Kapital beim Unfallversicherungsträger gebunden und damit den Beitragszahlern entzogen ist. Darüber hinaus werden die Unfallversicherungsträger gesetzlich verpflichtet, ab 2010 Altersrückstellungen für die bei ihnen beschäftigten Dienstordnungsangestellten zu bilden. Dasselbe gilt für Tarifbeschäftigte, denen eine unmittelbare Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erteilt worden ist. So sollen Altersvorsorgebelastungen für zukünftige Generationen reduziert werden.
Wichtiger Hinweis
Um eine einheitliche Verfahrensweise der Unfallversicherungsträger sicherzustellen, regelt die ebenfalls am 1. Januar 2010 in Kraft tretende Unfallversicherungs-Altersrückstellungsverordnung die konkreten Rahmenbedingungen für die Bildung von Altersrückstellungen.
Aufpassen: Betriebsprüfer der Rentenversicherer dürfen jetzt auch Beitragszahlungen zur Unfallversicherung kontrollieren
Erstmalig dürfen seit dem 1. Januar 2010 die Betriebsprüfer der Rentenversicherer bei ihren Betriebsprüfungen auch die Angaben zur Beitragszahlung in der Unfallversicherung für das Jahr 2009 mitprüfen. Die Beitragsjahre bis 2009 werden allerdings noch von den Prüfdiensten der Unfallversicherungsträger geprüft. Eine vollständige Übernahme der Prüfungen durch die Rentenversicherung erfolgt daher schrittweise bis zum 1. Januar 2012.
Näheres erfahren Sie in unserem Beitrag Rentenversicherung übernimmt ab 2010 Betriebsprüfung für die Unfallversicherung.
Arbeitsstunden müssen jetzt zwingend an die Unfallversicherungsträger gemeldet werden
War es den Arbeitgebern bisher freigestellt, die Arbeitsstunden ihrer Beschäftigten an die Unfallversicherung zu melden, gilt ab dem 1. Januar 2010, dass diese Daten zwingend mitzumelden sind. Ansonsten werden die Meldungen als fehlerhaft zur Neuerstattung abgewiesen. Zu melden sind entweder die tatsächlich erfassten Arbeitsstunden oder zumindest die Sollarbeitsstunden der Beschäftigten. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, können ersatzweise Arbeitsstunden nach dem Vollarbeiterrichtwert bzw. geschätzte Arbeitsstunden gemeldet werden.
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