Maultaschen, Frikadellen, Pfandbons und Co. – Wenn Mitarbeiter unerlaubt zugreifen
Bagatellkündigungen: - Die Volksseele kocht! Zu Unrecht!?
Sogenannte Bagatellkündigungen sind aktuell in aller Munde. Kein Wunder, stürzen sich die Medien doch begeistert auf die polarisierenden Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit, die über Entlassungen wegen des Diebstahls von sechs Maultaschen, des Verzehrs eines Brotaufstrichs oder der Unterschlagung eines Pfandbons zu befinden hat. Dass es sich bei diesen Fällen keineswegs um Kavaliersdelikte handelt, zeigen wir Ihnen hier.
Als eine Altenpflegerin wegen des Diebstahls von sechs Maultaschen nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit gefeuert wurde und das zuständige Arbeitsgericht die Kündigung bestätigte, sprach die Gewerkschaft ver.di von einem Schandurteil und nannte die Kündigung menschenverachtend. Die in unzähligen Interviews zu der Entscheidung befragten Beschäftigten waren empört, die Arbeitnehmervertreter scharrten mit den Hufen und der kündigende Arbeitgeber der Buhmann der Nation. Es scheint, als widerspreche es dem Rechtsempfinden eines Großteils der Bevölkerung, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, wenn er seinen Arbeitgeber beklaut. Die Kritiker solcher Urteile blenden dabei allzu gerne aus, dass ein Diebstahl einen Straftatbestand erfüllt. Eine solche Tat erschüttert das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer so dramatischen Art und Weise, dass es für die betroffenen Unternehmen zumeist schlichtweg keine Alternative zur fristlosen Kündigung gibt.
Wie uneinheitlich die Arbeitsgerichte bei Bagatell-Kündigungen urteilen, zeigen wir Ihnen exemplarisch anhand unserer Aufstellung der 9 kuriosesten Bagatellkündigungen.
Nicht jede außerordentliche Kündigung erfolgt fristlos
In der Praxis werden die Begriffe „außerordentliche“ Kündigung und „fristlose“ Kündigung häufig durcheinander geworfen. Die fristlose Kündigung ist eine Unterform der außerordentlichen Kündigung. Die außerordentliche Kündigung kann fristlos, aber auch mit einer Auslauffrist erklärt werden. Die fristlose Kündigung wird mit ihrem Zugang wirksam, die mit Auslauffrist ausgesprochene Kündigung hingegen zu dem im Kündigungsschreiben angegebenen Zeitpunkt. Die Auslauffrist kann deshalb der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen. Allerdings muss der Kündigende bei Ausspruch der Kündigung klarstellen, ob er eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist oder eine ordentliche Kündigung erklären will. Fehlt es an einer solchen Klarstellung, kann der Gekündigte darauf vertrauen, dass eine ordentliche Kündigung erklärt wurde, selbst wenn ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt. Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist in der Praxis jedoch eher die Ausnahme. Daher wird oft nur von der „fristlosen“ Kündigung gesprochen
Ultima-Ratio – Außerordentliche Kündigung nur als letztes Mittel
Wegen der schwerwiegenden Konsequenzen für den Betroffenen darf der Ausspruch einer außerordentlichen bzw. fristlosen Kündigung für den Arbeitgeber immer nur das letzte Mittel der Wahl sein (utlima ratio). Der Arbeitgeber muss deshalb prüfen, ob eine Kündigung durch mildere Mittel wie eine Änderungskündigung, Versetzungen oder Umschulungsmaßnahmen verhindert werden kann. Regelmäßig muss einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung vorausgehen.
Wichtiger Hinweis
Als Abmahnung wird die Beanstandung von Leistungsmängeln durch den Arbeitgeber unter Androhung von Folgen für den Wiederholungsfall bezeichnet. Der Mitarbeiter soll auf sein Fehlverhalten hingewiesen und vor weitergehenden Maßnahmen gewarnt werden (Hinweis- und Warnfunktion).
In krassen Fällen ist eine Abmahnung entbehrlich
Weigert sich ein Arbeitnehmer besonders nachhaltig oder hartnäckig, seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen oder ist ihm ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen, kann ausnahmsweise eine Abmahnung entbehrlich sein. Von den Störungen im Leistungsbereich sind die Pflichtverstöße zu unterscheiden, die den Vertrauensbereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer berühren, z. B. schwere Beleidigungen oder Straftaten zulasten des Arbeitgebers. In einem solchen Fall ist eine Abmahnung in aller Regel entbehrlich, weil im Allgemeinen das einmal zerstörte Vertrauen nicht wieder hergestellt werden kann. Hat das Fehlverhalten eines Mitarbeiters das Vertrauensverhältnis hingegen nicht allzu sehr belastet (leichter Pflichtverstoß) oder durfte er annehmen, dass sein Verhalten nicht pflichtwidrig ist bzw. vom Arbeitgeber als nicht so gravierend angesehen wird, muss einer Kündigung eine erfolglose Abmahnung vorausgehen.
Straftat zerstört Vertrauensverhältnis
Eine außerordentliche Kündigung ist die für den betroffenen Arbeitnehmer folgenschwerste Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Deshalb ist sie nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund nach § 626 BGB vorliegt, der das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfristen für den Arbeitgeber unzumutbar macht. Es liegt auf der Hand, dass daher nur besonders schwere Vorfälle und eine nachhaltige Störung des Vertragsverhältnisses den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen. Das Vorliegen einer Straftat im Arbeitsverhältnis bildet dabei den Hauptfall eines wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung. Die Straftat kann sich gegen den Arbeitgeber, gegen Kollegen oder auch gegen Kunden richten. Nach der Rechtsprechung ist im Fall einer Straftat in der Regel das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter so gestört, dass eine weitere Zusammenarbeit und die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist.
Übersicht zum Download
Werfen Sie einen Blick in unsere Übersicht: Kündigungsgründe nach § 626 BGB, um sich einen Überblick über die nach der Rechtsprechung in Betracht kommenden Gründe für eine außerordentliche Kündigung zu verschaffen.
Arbeitgeber muss Interessen gegeneinander abwägen
Der Arbeitgeber muss alle Umstände, die für und gegen eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechen, gegeneinander abwägen. Diese Interessenabwägung kann zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen, wenn er über viele Jahre hinweg dem Arbeitgeber niemals einen Grund zu Beanstandungen gegeben hat. Es kommt darauf an, ob es für den Arbeitgeber zumutbar oder unzumutbar ist, den Mitarbeiter zumindest bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist oder überhaupt weiterzubeschäftigen. Die folgenden Gesichtspunkte sind zwingend in die Abwägung einzubeziehen:
* Intensität und Gewicht der Pflichtverletzung
* Alter des Arbeitnehmers
* Chancen auf dem Arbeitsmarkt
* Dauer der Betriebszugehörigkeit
* Dauer der störungsfreien Vertragsbeziehung
* Verschuldensgrad
* Unterhaltspflichten des Arbeitgebers
* Vorliegen einer persönlichen Zwangslage
* Auswirkungen auf den Betriebsablauf/Betriebsfrieden
* Schaden für das Unternehmen
* Schädigung des Ansehens des Unternehmens
Checkliste zum Download
Mithilfe unserer Checkliste: Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung können Sie prüfen, ob Ihre Kündigung die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt.
- Kommentieren
- 6001 Aufrufe