Ablehnung wegen fehlender Eignung ist keine Diskriminierung wegen einer Behinderung
Ablehnung wegen Ungeeignetheit ist keine Diskriminierung wegen einer Behinderung
Erhält eine schwerbehinderte Bewerberin keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, weil sie für die Stelle offensichtlich ungeeignet ist, so liegt keine Diskriminierung wegen einer Behinderung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor.
Der Fall aus der Praxis
Eine Politologin mit einer Schwerbehinderung hatte sich auf die Stelle "Leiterin des Referats für Gleichstellung" in einer Landeshauptstadt beworben. Sie wurde von der Arbeitgeberin jedoch nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie nicht über alle im Anforderungsprofil geforderten Erfahrungen verfügte. Die Bewerberin hatte in den Nebenfächern Psychologie und Deutsch belegt und arbeitete als Honorardozentin für Alphabetisierung und Deutsch als Fremdsprache. Außerdem betreute sie als Koordinatorin und Lehrkraft ein Legasthenie-Projekt einer Volkshochschule. Dazu gehörte auch die Anleitung von sechs Dozenten. Zudem unterstützte und beriet sie auch Menschen mit Migrationshintergrund. Die Ablehnung der Bewerbung begründete die Arbeitgeberin mit der fehlenden Erfahrung im Gender-Mainstreaming und der nicht vorhandenen Gremien-Arbeit. Die abgewiesene Bewerberin war der Meinung, sie sei wegen ihrer Behinderung diskriminiert worden und klagte auf Schadenersatz.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts lägen die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht vor. Die Klägerin sei für die zu besetzende Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten offensichtlich fachlich ungeeignet i. S. d § 82 Satz 3 SGB IX (siehe unten), sodass die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch entbehrlich gewesen sei. Deshalb bestehe auch keine Anscheinsvermutung dafür, dass die Nichtberücksichtigung der Bewerberin im Zuge des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens wegen ihrer Behinderung erfolgt sei. Der Anspruch setze voraus, dass die Klägerin in einer vergleichbaren Situation ungleich behandelt wurde. Dafür hätte die Klägerin aber für die ausgeschriebene Stelle geeignet sei müssen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen, denn die Bewerberin sei schon nicht in einer mit den anderen Bewerberinnen vergleichbaren Situation gewesen. Sie sei vielmehr von dem objektiven Anforderungsprofil ausgehend für die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten offensichtlich objektiv ungeeignet. Erforderlich wäre ein Hochschulstudium der Sozialwissenschaften gewesen. Außerdem habe die Klägerin nicht über die geforderte zweijährige Verwaltungserfahrung im Sinne des Anforderungsprofils verfügt. Das Anleiten der Dozenten sei auch nicht mit den geforderten Erfahrungen in der Personalführung identisch. Deshalb sei die Arbeitgeberin nicht verpflichtet gewesen, die Bewerberin einzuladen. Es bestehe daher auch keine Vermutung für eine unzulässige Benachteiligung der Bewerberin wegen ihrer Behinderung gemäß § 22 AGG (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.09.2011, Az.: 3 Sa 182/11).
Praxis-Tipp
Bei der Beurteilung der Anforderungen für eine freie Stelle ist der Arbeitgeber frei, soweit er die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestaltet. Ein öffentlicher Arbeitgeber muss allerdings stets Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) beachten:
„Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die freie Stelle im öffentlichen Interesse bestmöglich zu besetzen.
Das sagt das Gesetz
§ 82 SGB IX Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Integrationsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.
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