Berufliche Neuorientierung: Auswandern – eine Alternative?!
Seit mehreren Jahren verlassen mehr Deutsche das Land als zurückkehren.
Deutschland als Exportweltmeister macht auch hier seinem Namen Ehre: jetzt sind es nicht allein Produkte oder Arbeitsplätze, die ins Ausland (ab-)wandern: Nein, auch seine Bundesbürger. 2007 war ein neues Auswanderungsrekord-Jahr: 165.000 Deutsche verließen offiziell Deutschland (die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher, weil einige sich nicht abmelden, um sich so ein Hintertürchen für eine eventuelle Rückkehr offen zu halten) – das sind 6 Prozent mehr als im Jahr davor.
Tendenz steigend.
Denn heute sind es zuerst Arbeitssuchende und nicht wie früher die Abenteurer, die Deutschland verlassen. Ob nun Hochqualifizierte, die im Ausland bessere Perspektiven sehen, 45+-Jährige, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt dank Altersdiskriminierung keine Chance mehr erhalten oder Hartz IV-Empfänger, die auf dem Arbeitsmarkt abgeschrieben wurden.
Für den einzelnen ist Auswandern eine Alternative auf ein neues Leben. Für Deutschland und seine Volkswirtschaft eine Katastrophe: Allein 20 Milliarden Euro ging nach Schätzung des Institutes der Deutschen Wirtschaft im Jahre 2006 an Wertschöpfung verloren, weil 170.000 Arbeitsplätze für Hochqualifizierte nicht besetzt werden konnten.
Allerdings sollte niemand, der sich zum Auswandern entscheidet, blauäugig in dieses Abenteuer starten. Damit es gelingt – und Sie in Ihrer neuen Heimat nicht von Existenzängsten, Sorgen und Schwierigkeiten erschlagen werden, gibt es etliches zu erledigen.
Ihre erfolgreiche Auswanderung startet in Deutschland – und nicht im Land Ihrer Träume!
Auf zu neuen Ufern: Ihre Auswanderungsroute in 5 Schritten
Schritt 1: Wenn die Ferne lockt…
Ziel: Klären Sie Einreisebedingungen, Sprachbarrieren und Jobkonditionen
Auszuwandern erfordert Mut. Es erfordert auch einen analytischen Sachverstand, der Ihnen dabei hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Nicht jedes Land – egal, wie toll es im Urlaub dort war – wird für Sie als neue Heimat in Frage kommen. Prüfen Sie deshalb,
- wie ist die dortige Wirtschaftslage? Wie hart ist das Land und die Arbeitssituation von der Krise betroffen? Wie sieht der Arbeitsmarkt überhaupt aus?
- welche Einreisebestimmungen gibt es? Wie und wo erhalten Sie eine Arbeitserlaubnis? Welches Visum kommt für Sie und Ihre Familie in Frage?
- ob Ihre Ausbildung, Studium bzw. Meisterbrief überhaupt anerkannt wird. Viele, die beispielsweise in Deutschland jahrelang als Krankenschwester tätig waren, dürfen im Ausland neu mit der Ausbildung starten oder müssen sich durch (teure) Kurse qualifizieren.
- welche Landessprache üblich ist? Verfügen Sie bereits über Grundkenntnisse? Oder beherrschen Sie diese fließend? Falls nein, denken Sie, diese Sprache überhaupt erlernen zu können – arabisch, thailändisch, norwegisch oder …?
Expertenrat
Gerade in Fragen des Visums wird es kompliziert. Holen Sie sich professionelle Unterstützung. Einwanderungs-Rechtsanwälte, Migrations- oder auch Einwanderungsberater stehen Ihnen dann bei diesen schwierigen, aber entscheidenden Fragen zur Seite.
Schritt 2: Gehen Sie auf die Jobsuche
Ziel: Berufsmessen, Arbeitsamt und Internet sind Ihr Schlüssel zum Erfolg
Sie sollten nicht erst in Ihrer neuen Heimat nach Arbeit suchen. Dies kann riskant werden, da Sie unter Druck eine Arbeit finden müssen und eventuell Schwierigkeiten mit Ihrem Visum erhalten. Sichern Sie sich einen Arbeitsplatz von Deutschland aus.
Berufsmessen, auf denen sich auch internationale Unternehmen vorstellen, dienen der Kontaktaufnahme und dem Vertragsabschluss. Mit einem Vertrag in der Tasche ist es auch einfacher, ein Einreisevisum + eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Doch auch das Arbeitsamt bietet Jobs im Ausland an. Spezialisiert hat sich dafür die ZAV: Zentrale Auslands-Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, die Fachkräfte von Deutschland ins Ausland und umgekehrt vermittelt.
Natürlich lohnt sich auch das Surfen im Internet. Es gibt genügend Jobbörsen, die sich aufs Ausland spezialisiert haben. Oder dank ausreichender Kenntnisse der üblichen Landessprache Ihrer Wahlheimat, klicken Sie auf die dortigen Homepages der Arbeitsämter oder Tageszeitungen, die ja auch Stellenanzeigen ins Netz stellen.
In der heißen Bewerbungsphase klopfen Sie die Kriterien ab, die Ihre Entscheidung, welcher neue Arbeitgeber es wird, erleichtern:
- Lohn,
- Krankenversicherung, Pensionen – diese sind meistens nicht automatisch wie in Deutschland enthalten (natürlich abhängig vom Land Ihrer Wahl) Fragen Sie nach, ob medical care – auch für die Familie – vom Arbeitgeber bezahlt wird. Falls nicht, welche Alternativen gibt es in der neuen Heimat?,
- Bezahlten Urlaub,
- Umzugskosten,
- Firmenwohnung bzw. Firmenauto.
Expertenrat
In den meisten Ländern dieser Welt dürfen Sie keine Angaben zur Person in Ihrem Lebenslauf machen, d.h. Angaben über Familienstand, Religion und Alter sind überflüssig, da diese als diskriminierend eingestuft werden. Gleichzeitig ist aus gleichem Grunde kein Bewerbungsphoto erwünscht. Lassen Sie in jedem Falle Ihre Ausbildungs-, Studiums- bzw. Meisterbriefzertifikate übersetzen und beglaubigen. Ebenso Arbeitszeugnisse, obwohl im Ausland eher Referenzen der Bewerbung beigefügt werden.
Schritt 3: Mit Weib, Kind und Hund
Ziel: Ob alleine oder mit Familie, machen Sie sich den Neustart so einfach wie möglich
Die Entscheidung auszuwandern sollte stets gut überlegt sein. Ist die gesamte Familie involviert, müssen Sie zusätzlich wichtige Punkte klären:
- Schule und Studim Nach PISA dürften die meisten Länder dieser Welt Ihren Kindern eine bessere Ausbildung garantieren als Deutschland. Dennoch prüfen Sie, welchen PISA-Status Ihr Wunschland hat. Gibt es deutschsprachigen Schulen? Welches Schulsystem herrscht dort? Ist es kostenpflichtig oder frei? Wie steht es mit Kindergärten? Wie werden ausländische Kinder – dies werden Ihre Kinder dann sein! – in die Klassen integriert? Gibt es spezielle Sprachförderprogramme?
- Ausbildung. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland ist nicht zu toppen. Deshalb reißen sich ausländische Firmen um unsere Handwerker. Steckt Ihr Kind in der Ausbildung, sollten Sie mit der Auswanderung warten oder Alternativen finden, sodass Ihr Kind seine Ausbildung hier beenden kann.
- Ihr/e Partner/in. Wie sehen die Jobmöglichkeiten für Ihren Partner aus? Welche Rollenvorstellungen herrschen in diesem Land?
- Haustiere. Dürfen Sie Ihren Hund oder Ihre Katze mitnehmen? Welche Impfbestimmungen müssen Sie dafür erfüllen? Ist das neue Klima für das Haustier überhaupt geeignet?
- Umzug. Kalkulieren Sie hier knallhart. Holen Sie Angebote von Speditionen ein, die sich auf internationale Verschiffung per Container spezialisiert haben. Oder wenn es „nur“ nach Spanien geht, wer fährt den LKW? Trennen Sie sich jetzt von Unnötigem. Ohne jetzt aber Ihren Kindern Vertrautes und Wichtiges zu „rauben“.
Ihr Partner wird Ihre Entscheidung auszuwandern sicherlich begeistert mittragen. Für Ihre Kinder, abhängig davon, wie alt diese sind, wird dies eine einschneidende Erfahrung werden. All Ihre Freunde, Ihre Großeltern und Tanten, Onkeln und Nachbarn – also das gesamte soziale Netz – bleiben zurück. Obwohl Kinder leicht wieder Anschluss finden, ist es wichtig, „Launen“ bei der Vorbereitung zu akzeptieren und auch aufzufangen.
Expertenrat
Erleichtern Sie Ihren Kindern unbedingt den Neubeginn, indem Sie jeden Tag mit Ihnen die neue Sprache üben. Klicken Sie auch auf Google Earth, um schon erste Eindrücke zu sammeln. Suchen Sie im Internet nach Jugendcentern, Schulen, Kindergärten etc., in der Stadt oder dem Landkreis, in die oder den Sie in Ihrer Wahlheimat ziehen möchten. Fragen Sie per mail an, ob sich nicht schon Kinder finden, die mit Ihren Kindern chatten möchten.
Schritt 4: Adieu Deutschland, Hallo neue Heimat
Ziel: Starten Sie in Minischritten durch, denn Orientierung und Anpassung brauchen Zeit
Der Abschied sollte „gefeiert“ werden. Ein Fest, ob groß oder klein, mit Ihrer Familie, Freunden und Bekannten, ist ein Abschiedsritual, das Sie trotz Tränen und Wehmut nicht auslassen dürfen. Sie lösen sich so symbolisch von dem „Alten“, damit Sie für das Neue empfänglich sein werden.
Stellen Sie in Deutschland bereits Ihre Weichen für die ersten Tage. Dazu gehören das Buchen eines Hotelzimmers oder eines Ferienhauses, falls Ihnen Ihr neuer Arbeitgeber keine Wohnung stellt. Ebenso benötigen Sie ein Mietauto, damit Sie mobil sind. Für die Tage nach Ihrer Ankunft gibt es viel für Sie zu tun. Eine To-Do-Liste bietet hier Orientierung:
- Vorstellen beim neuen Arbeitgeber.
- Anmelden bei der Einwanderungsbehörde.
- Übertragung des Führerscheins.
- Eröffnung eines Bankkontos.
- Kauf eines Autos, plus Anmeldung und Versicherungspolice.
- Suche nach einer Immobilie oder einer Mietwohnung.
- Anmeldung der Kinder in der Schule oder Kindergarten.
- Eventueller Kauf von Möbel.
Wundern Sie sich nicht über Hektik und dass Sie sich gestresst fühlen. Sie haben viel zu erledigen. Und dies alles in einem fremden Land, einer unbekannten Kultur und einer Sprache, die Sie mehr oder weniger gut beherrschen. Da prallt viel auf Sie und Ihre Familie ein. Planen Sie deshalb unbedingt Ruhephasen ein, in denen Sie die Restaurants vor Ort erkunden, Sightseeing machen oder am Strand, im Park oder im Grünen die Seele baumeln lassen. Kommen Sie in Ihrer neuen Heimat an.
Expertenrat
Nutzen Sie auch diese erste Phase sich mit den sozialen Gegebenheiten Ihrer Umgebung vertraut zu machen. Wo ist der nächste Kinderarzt, Zahnarzt, Allgemeinmediziner? Das Krankenhaus? Die Polizei? Welche Freizeitangebote gibt es? Kino, Theater, Kaufhäuser, Spielplätze, Schwimmbäder? Welche Gotteshäuser? Wie ist der örtliche Nahverkehr?
Schritt 5: Höhen und Tiefen akzeptieren
Ziel: Ihr Auffangnetz sind Sie selbst und Ihre Familie – alles andere entsteht gerade
Nach den ersten Wochen, wenn sich der Alltag langsam zu setzen beginnt, und das Neue realisiert wird, schwappen Gefühle nach oben, die bisher kaum Raum fanden, sich zu zeigen. Heimweh, Abschiedsschmerz, vielleicht auch Zweifel und Unsicherheit. Die Anspannung der letzten Wochen, gar Monate fällt ab. Verständlich, dass Sie sich traurig fühlen, leer und ausgepumpt.
Gleichzeitig gab es schon so manchen „Kratzer“ an der neuen Heimat zu entdecken, der viel Kraft und Toleranz von Ihnen forderte. Der Auswanderungsblues hat Sie erwischt. Akzeptieren Sie diese Phase, ohne jetzt Ihren Schritt auszuwandern völlig in Frage zu stellen. Aktivieren Sie stattdessen Ihr Auffangnetz – Ihre Familie vor Ort. Lehnen Sie sich an Ihren Partner an. Unternehmen Sie viel gemeinsam. Tauschen Sie sich über Ihre Eindrücke aus. Setzen Sie sich und Ihre Familie aber nicht zusätzlich unter Druck, indem Sie erwarten, alles müsste ständig „rosarot“ sein.
Der Aufbau einer neuen Existenz benötigt Zeit. Ebenso das Entstehen neuer Freundschaften und Kontakte. Überfordern Sie sich jetzt nicht. Strecken Sie die Fühler aus. In der Schule Ihrer Kinder – laden Sie Eltern und Kinder zu sich ein. Bei Ihrem Arbeitgeber – geben Sie ein Willkommensfest für Ihren Boss und Kollegen bei sich zu Hause.
Expertenrat
Pflegen Sie Ihr Netzwerk in der alten Heimat. Mailen Sie Bilder, Eindrücke und Anekdoten aus Ihrer neuen Heimat. Telefonieren Sie, wenn es das Budget erlaubt. Trotz der Ferne werden Sie sich aufgefangen fühlen.
Checkliste zum Download
Hier geht´s zur Checkliste: Berufliche Neuorientierung im Ausland.
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