Wie man im „Wildwasser“ der neuen Business-Welt überlebt
Sich selbst organisierende Mitarbeitereinheiten sind das favorisierte Zukunftsmodell, weil sie den rasch aufkommenden und zunehmend unvorhersehbaren Anforderungen besser gewachsen sind als das Kommandieren-Kontrollieren alten Stils.
Die Spielregeln unserer Arbeitswelt sind in der Ära der Industrialisierung entstanden. Da gehörten sie hin und haben gute Dienste geleistet. Denn damals ging es um das Steuern und Stabilisieren. In der Digitalökonomie von heute und morgen hingegen sind hohes Tempo, Adaptionsfähigkeit und ständiges Innovieren gefragt.
Hierzu braucht es ein Umfeld, das Vorschriften abbaut, auf Fehler smart reagiert, Vertrauen zulässt und Freiräume schafft. Leitplanken statt Handschellen, Empfehlungen statt Statuten und Mut zum Versuch sind die Devisen. All das macht eine Firma beweglich und anpassungsschnell.
Unternehmen mit einem dynamischen Mindset sind erfolgreicher als Unternehmen mit einem statischen Mindset. Das hat die Stanford-Psychologie-Professorin Carol Dweck („Selbstbild“) bereits vor Jahren herausgefunden. In turbulenten Zeiten können Unternehmen mit starrem Verhalten nicht überleben.
Der Rückfall ins Gestern ist keine Alternative
Natürlich haben die meisten Unternehmen inzwischen mit New-Work-Initiativen begonnen, Maßnahmen zunehmender Selbstorganisation im Einsatz und agile Tools in Gebrauch. Doch schon zeigt sich Ernüchterung. Viele Initiativen erfüllen scheinbar nicht die Erwartungen, die man in sie gesetzt hat.
Manche reden bereits ein Scheitern von New Work herbei, um erleichtert zu den „gängigen“ Methoden von früher zurückkehren zu können. Doch das ist von Allem der größte Fehler. Denn mit alten „Waffen“ kann man keine neuen „Kriege“ gewinnen. Und der Rückfall ins Gestern ist ganz gewiss keine Alternative.
In einem Kommandieren-Kontrollieren-Umfeld sind die Mitarbeiter vor allem damit zugange, den vorbestimmten Abläufen akribisch zu folgen, selbst dann, wenn das der größte Unsinn ist. Verkrustung ist unvermeidlich. Und Lethargie stellt sich ein. Eine Marionette bewegt sich ja auch immer erst dann, wenn man an ihren Strippen zieht.
Das Schlechteste, was man also bei steigendem Außendruck machen kann: Daumenschrauben anziehen, Vorgaben detaillieren, den Rahmen verengen und den hierarchischen Druck mächtig erhöhen. Volatile Zeiten und ein dynamisches Umfeld verlangen nach agilen Strukturen, um im „Wildwasser“ der Zukunft zu überleben.
Selbstorganisation ist wie Schlauchboot-Fahren
Ein Achter-Ruderboot, das in sanftem Gewässer im Wettkampf gegen andere seine Bahn bis zur Ziellinie zieht: Das ist eine Analogie für die Teamwelt der Wirtschaft von früher. Motiviert-entschlossene Leute in einem Schlauchboot, das durch tosende Stromschnellen muss, wobei man nie weiß, was als nächstes passiert: Das ist Selbstorganisation in der heutigen Business-Welt.
Die erste Welt war einfach und überschaubar, die zweite ist unvorhersehbar komplex. Im ersten Fall folgen die Ruderer Regeln, Schlagzahl-Ansagen und Plan. Im zweiten Fall braucht es ständigen Austausch, situatives Handeln und Kollaboration, um heil ans Ziel zu gelangen.
Heutzutage findet Leadership in einem Wildwasserumfeld statt. Dies erfordert ganz andere Mitarbeiterfähigkeiten – und ganz andere Führungsqualitäten als früher. Die zunehmende Komplexität macht auch die Führungssituationen immer komplexer. Und die exponentielle Entwicklung der Digitalökonomie macht Vorhersagen fast unmöglich.
Permanente Vorläufigkeit wird in transformativen Zeiten zur neuen Norm. Schnelligkeit, Flexibilität und Adaptionsfähigkeit sind in diesem Umfeld ein Muss. Das Denken in nichtlinearen Zusammenhängen und das Handeln in schnellen Iterationen: Von nun an sind das Grundvoraussetzungen für den Erfolg.
Bessere Ergebnisse durch Selbstwirksamkeit
Die Systemforschung weiß längst: In der Selbstorganisation entsteht aus einer Eigendynamik heraus Ordnung. Zudem manifestiert sich, wenn man selbstbestimmt arbeiten kann, zwangsläufig der Wunsch nach einem guten Ergebnis. Das ist evolutionär in den Genen der Menschen verankert - weil nur der Bessere überlebt.
Demnach sind Strukturen zu schaffen, die es möglich machen, dass die Mitarbeiter ohne Kontrolle von Oben selbst agieren und eigenverantwortlich zum Erfolg kommen können. Solche Strukturen beinhalten auch Verhaltensgrenzen, die wie die Umrandung eines Fußballplatzes den groben Rahmen des Zusammenspiels definieren.
Eigenmotivation ist dabei der zentrale Treiber. Hierzu definieren die Mitarbeiter ihre Ziele sowie die dazu notwendigen Mittel und Wege gemeinsam und übernehmen Verantwortung für die erbrachten Ergebnisse. Kollegial miteinander erstellte Vereinbarungen über die Art und Weise der Zusammenarbeit, die zum Beispiel in einem „Kulturbuch“ festgehalten werden, bestimmen das Vorgehen.
Strikte Vorgaben von Oben und „Dienst nach Vorschriften“ gehören der Vergangenheit an. Vielmehr sorgt die Führungskraft für die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel. Nur im Notfall greift sie direktiv ein. Ansonsten agiert sie als Moderator der Lösungsfindung, ist vor allem fördernd tätig und gibt ihren Leuten Rückendeckung.
- Kommentieren
- 9188 Aufrufe