Freistellung nach Kündigung - Scheidende Arbeitnehmerin muss Dienstwagen nicht sofort zurückgeben
Freistellung nach Kündigung: Arbeitnehmer darf Dienstwagen weiterhin nutzen
Der Arbeitgeber kann bei einer Kündigung und einer darauf folgenden Freistellung das Recht des Arbeitnehmers, den ihm überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen, widerrufen. Die Ausübung des Widerrufsrechts muss aber billigem Ermessen entsprechen, was nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig nicht der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen im laufenden Monat sofort zurückgeben soll.
Der Fall
Eine Arbeitnehmerin war bei einer Zeitarbeitsfirma als Personal- und Vertriebsdisponentin beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag konnte sie im Falle einer Kündigung unter Weiterzahlung der Bezüge freigestellt werden. Die Arbeitgeberin hatte ihr einen Dienstwagen überlassen, den sie auch privat nutzen durfte. Der Dienstwagenvertrag enthielt u. a. folgende Klausel:
„Der Arbeitgeber behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Im Falle der Ausübung des Widerrufs durch den Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, eine Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz zu verlangen.“
Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Arbeitnehmerin zum 30.06.2009. Nach Ausspruch der Kündigung stellte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin von der Arbeit frei und forderte die Rückgabe des Dienstwagens, die am 09.06.2009 erfolgte. Mit ihrer Klage verlangte die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte Erfolg. Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestehe ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Entschädigung für die entgangene private Nutzung des Firmenwagens für die Zeit vom 09.06. bis 30.06.2009.
Der im Dienstwagenvertrag enthaltene Widerrufsvorbehalt sei allerdings wirksam. Er halte insbesondere einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stand. Der Widerrufsvorbehalt werde den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht, da er ausdrücklich klarstellt, wann der Arbeitnehmer mit dem Entzug der Privatnutzung rechnen muss, nämlich im Fall einer Freistellung. Die Widerrufsklausel sei auch materiell nach § 308 Nr. 4 BGB wirksam, weil der Widerruf der Privatnutzung eines Firmenwagens im Zusammenhang mit einer (wirksamen) Freistellung des Arbeitnehmers zumutbar sei. Die Ausübung des Widerrufs sei im Streitfall aber - entgegen § 315 Abs. 1 BGB – unbillig gewesen. Die Arbeitgeberin habe keine Gründe vorgetragen, warum sie das Fahrzeug unmittelbar nach der Eigenkündigung der Mitarbeiterin zurückgefordert hat. Die Klägerin habe kein anderes Fahrzeug besessen und sei daher hierauf angewiesen gewesen. Daneben sei sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) verpflichtet, die Privatnutzung für den gesamten Monat Juni 2009 zu versteuern, obwohl sie über diese Nutzung für 22 Tage nicht mehr verfügen konnte. Vor diesem Hintergrund habe das Interesse der Klägerin, das Fahrzeug bis Ende Juni 2009 zu nutzen, überwogen (BAG, Urteil vom 21.03.2012, Az.: 5 AZR 651/10).
Fazit
Entzieht der Arbeitgeber also einem Mitarbeiter zu Unrecht die arbeitsvertraglich eingeräumte Privatnutzung des Firmenwagens durch unzulässigen Widerruf, so kann der Arbeitnehmer auch dann eine Entschädigung verlangen, wenn er den Dienstwagen auf eine unberechtigte Aufforderung des Arbeitgebers hin widerspruchslos zurückgegeben hat. Er kann mindestens den Betrag verlangen, den er aufbringen muss, um ein entsprechendes Fahrzeug privat nutzen zu können bzw. er kann Schadenersatz mindestens in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verlangen.
Dienstwagen kann bis zum Ende der Kündigungsfrist privat genutzt werden
Die Möglichkeit der privaten Nutzung eines Firmenwagens ist für einen Arbeitnehmer wie ein zusätzlicher Arbeitslohn, den der Arbeitgeber solange gewähren muss, wie er dem Arbeitnehmer auch das übliche Arbeitsentgelt schuldet. D. h. die Arbeitnehmerin im Eingangsfall hatte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht nur ihren Lohnanspruch, sondern eben auch Anspruch auf die private Nutzung des Firmenwagens.
Wichtiger Hinweis
Stellt der Arbeitgeber einem Mitarbeiter einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung, so stellt dies einen sogenannten Sachbezug dar, der Teil der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung ist. Eine solche nicht in Geld bestehende Leistung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer wird auch als geldwerter Vorteil bezeichnet. Es handelt sich hierbei um einen steuer- und abgabenpflichtigen Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts. Der Arbeitnehmer kann dabei zwischen der Pauschalversteuerung (sogenannte 1%-Regelung) und der Abrechnung über ein Fahrtenbuch wählen.
Freistellung nach Kündigung rechtfertigt grundsätzlich Dienstwagen-Widerruf
Die Überlassung des Dienstwagens an den Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung kann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn und solange das Fahrzeug für dienstliche Zwecke seitens des Mitarbeiters nicht (mehr) benötigt wird. Im Falle einer Eigenkündigung (siehe Eingangsfall) tritt genau dieser Fall ein. Werden die Bedingungen der Dienstwagenüberlassung in einem formularmäßig vorgefertigten Arbeitsvertrag oder in einer anderen, für mehrere Arbeitnehmer verwendeten Form einseitig vom Arbeitgeber bestimmt, so gelten die Vorschriften der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Werfen Sie auch einen Blick in unseren umfassenden Beitrag zum Thema Dienstwagenvertrag.
- Kommentieren
- 29692 Aufrufe