Tatsächlich – Auch Schwerbehinderten dürfen Sie kündigen
Viele Arbeitgeber weigern sich, Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung einzustellen. Sie befürchten, dass eine ggf. erforderliche Kündigung sie vor unlösbare Probleme stellen würde. Unmöglich sind solche Kündigungen nicht - sie sind aber etwas aufwendiger. Neben dem Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes (früher Hauptfürsorgestelle) muss in der Regel nämlich auch noch der Betriebsrat angehört werden. Der folgende Fall macht deutlich, dass selbst das letztgenannte Kriterium manchmal entfallen kann.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitgeber musste einen umfangreichen Personalabbau durchführen. Mit dem Betriebsrat wurde ein Interessenausgleich ausgehandelt, dem eine Liste beigefügt war, auf der die zu kündigenden Arbeitnehmer, u.a. ein Schwerbehinderter, namentlich aufgeführt waren. Dieser klagte gegen die Kündigung, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.
Das sagt der Richter
Die Richter konnten allerdings keine Fehler bei der Betriebsratsanhörung erkennen. Es sei zwar richtig, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung auch über einen durch Schwerbehinderung bestehenden Sonderkündigungsschutz informiert werden müsse. Es sei aber nicht erforderlich, dass der Betriebsrat auch darüber informiert werden müsse, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eingeholt werden müsse. Dieses Wissen könne beim Betriebsrat vorausgesetzt werden (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.02.2007, Az.:13 Sa 1126/06).
Das bedeutet die Entscheidung
Jede Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, also die
- ordentliche,
- außerordentliche, aber auch die
- Änderungskündigung
bedarf der behördlichen Zustimmung. Zuständig sind hierfür die Integrationsämter. Diese Zustimmung können Sie aber nicht nachreichen - sie muss immer vor Ausspruch der Kündigung vorliegen. Eine ohne Zustimmung ausgesprochen Kündigung ist unheilbar unwirksam.
Sie können sogar fristlos kündigen
Soll eine außerordentliche, fristlose Kündigung ausgesprochen werden, muss Ihr Antrag auf Zustimmung innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen beim Integrationsamt eingehen. Wird die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilt, müssen Sie die Kündigung aber auch unverzüglich erklären. Die eigentlich einschlägige 2-Wochenfrist des § 626 Abs.2 BGB gilt dann als gewahrt.
Musterantrag zum Download
Einen Musterantrag auf Zustimmung zur Kündigung finden Sie hier.
Einer Ablehnung des Integrationsamtes können sie widersprechen
Im Falle einer ordentlichen Kündigung muss die Kündigung innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Zustimmungsbescheids erfolgen. Wenn das Integrationsamt die Zustimmung verweigert, können Sie gegen die Ablehnung Widerspruch erheben. Über diesen Widerspruch entscheidet dann die Widerspruchsstelle. Hilft sie dem Widerspruch ab und erteilt die Zustimmung, kann gekündigt werden. Bleibt sie bei Verweigerung, können Sie Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Umgekehrt darf aber auch der Schwerbehinderte diese Rechtsmittel einlegen, wenn die Zustimmung seiner Meinung nach zu Unrecht erteilt wurde.
Expertenrat
Allerdings besitzt der Arbeitnehmerwiderspruch keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass Sie Ihre Kündigung auf der Grundlage der Zustimmung durchaus schon aussprechen dürfen - selbst wenn das Widerspruchsverfahren noch läuft.
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