Nachträgliche Befristung kann wirksam sein
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf ist ein befristeter Arbeitsvertrag auch dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufnimmt, bevor er den Arbeitsvertrag unterzeichnet hat. Nur weil der Arbeitsbeginn vorverlagert ist, bedeutet das nicht den Abschluss eines unbefristeten Vertrags.
Der Fall aus der Praxis
Eine Justizangestellte hatte sich erfolgreich auf eine befristete Stelle in einer Vollzugsanstalt beworben. An ihrem ersten Arbeitstag am 15.01.2008 war der Arbeitsvertrag noch nicht ausgefertigt. Die Mitarbeiterin nahm ihre Tätigkeit unverzüglich auf, ohne die Vertragsurkunde unterzeichnet zu haben. Einen Tag später erhielt sie den Arbeitsvertrag, erbat sich aber noch einen Tag Bedenkzeit, um den Vertrag in Ruhe durchzulesen. Am darauf folgenden Tag übergab die den unterzeichneten Vertrag ihrem Arbeitgeber. Der Vertrag hatte u. a. folgenden Inhalt:
§ 1
Frau … wird nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 15.01.2008 bis 31.08.2008 aus haushaltsrechtlichen Gründen als Teilzeitbeschäftigte mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten (derzeit 3 Std. 50 Min. täglich) eingestellt.
Als sich das Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses anbahnte, konfrontierte die Justizangestellte die Personalabteilung mit der Bemerkung, dass überhaupt kein befristeter Arbeitsvertrag zustande gekommen sei. Mit der Arbeitsaufnahme am 15.01.2008 sei konkludent ein mündlicher Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit zustande gekommen. Die anschließend im schriftlichen Arbeitsvertrag getroffene und dem Schriftformzwang des § 14 Abs. 4 TzBfG genügende Befristungsabrede hätte deshalb einen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG erfordert.
Das sagt der Richter
Die Entfristungsklage der Justizangestellten hatte keinen Erfolg. Nach Meinung des Gerichts sei die Befristung nicht wegen eines fehlenden Sachgrunds unwirksam. Der Arbeitgeber könne die Befristung auf § 14 Abs. 2 TzBfG (sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren) stützen, auch wenn im Arbeitsvertrag ein Sachgrund für die Befristung angegeben sei. Die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung lägen hier vor. Die Angestellte sei erstmalig in ein Arbeitsverhältnis mit dem Land Nordrhein-Westfalen getreten. Mit der Übergabe des unterzeichneten schriftlichen Vertrags am 16.01.2008 hätten die Parteien ein bis zum 31.08.2008 befristetes Arbeitsverhältnis begründet. Durch die Arbeitsaufnahme der Beschäftigten am 15.01.2008 sei noch kein Arbeitsvertrag zustande gekommen, sodass die Fiktion des § 16 TzBfG nicht eingreife. Solange sich die Parteien nicht über alle Vertragspunkte geeinigt hätten, sei ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen. Im öffentlichen Dienst sei es üblich, Einstellungen an den obligatorischen Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags zu knüpfen und bloße mündliche Absprachen als noch nicht endgültig verbindlich anzusehen. So verhalte es sich auch im Streitfall. Die Angestellte hätte aufgrund der Stellenanzeige und der vorab geführten Gespräche wissen müssen, dass nur ein befristeter Vertrag infrage kam. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2010, Az.: 12 Sa 415/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Diese Art der „Vorverlagerung“ – Arbeitsantritt ohne Vorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrags - kann nicht dazu führen, dass es in den Händen des Arbeitnehmers liegt, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen soll oder nicht.
Wichtiger Hinweis
Nach § 14 Abs. 4 TzBfG muss ein befristetes Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbart werden. Fehlt es daran, ist die Befristungsabrede unwirksam und das Arbeitsverhältnis gilt nach der Fiktion des § 16 Abs. 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit (unbefristetes) geschlossenes Arbeitsverhältnis. Ein Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit der Befristung wegen mangelnder Schriftform geltend machen will, muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses Klage beim Arbeitsgericht erheben. Erfolgt die Klage nicht fristgerecht, gilt die Befristung als von Anfang an wirksam.
Praxistipp
Können Sie einem neuen Mitarbeiter am ersten Arbeitstag noch keine unterschriftsreife Vertragsurkunde vorlegen, so sollten Sie sich von ihm eine Vereinbarung unterzeichnen lassen, aus der hervorgeht, dass die Arbeitsaufnahme unter Bezug auf den noch zu verifizierenden Vertrag erfolgt.
Checkliste zum Download
Die Bindung an die haushaltsrechtlichen Vorschriften bildet nicht den einzigen anerkannten Sachgrund für die Befristung von Arbeitsverhältnissen. Welche Gründe das Gesetz ansonsten noch kennt, erfahren Sie durch einen Blick auf unserer Checkliste Befristung mit Sachgrund.
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