Mercedes-Urteil – Sonderpreise zählen für Zumutbarkeit der Verweisung an freie Werkstatt nicht
Der BGH hat jetzt ein weiteres Grundsatzurteil zur Verweisung auf freie Werkstätten durch Kfz-Haftpflichtversicherungen gesprochen. Konkret geht es um die Klage eines Geschädigten, dessen zum Unfallzeitpunkt mehr als sieben Jahre alte Mercedes-Benz A-Klasse eine Laufleistung von über 114.451 km aufwies. Die Haftung des Beklagten als Fahrer und dem Haftpflichtversicherer stand dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien stritten um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Versicherung benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt erstattet verlangen kann. Die Versicherung legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Reparaturwerkstatt zugrunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten um insgesamt 883 €. Das Amtsgericht hatte die Klage bis auf einen Betrag in Höhe von 12,75 € abgewiesen, das Landgericht wies die dagegen gerichtete Berufung zurück.
Der BGH gab dem Geschädigten Recht. Der Schädiger kann den Geschädigten zwar unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-) üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Im Sachverhalt entspreche zwar war die Reparatur in der freien Reparaturwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Nach den bisherigen Feststellungen erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es dem Kläger gleichwohl unzumutbar war, sein Fahrzeug dort reparieren zu lassen. Denn nach der nicht widerlegten Behauptung des Klägers handele es sich bei den Preisen der benannten freien Werkstatt nicht um deren (markt-)übliche Preise, sondern um Sonderkonditionen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Haftpflichtversicherung. Der Kläger hatte dabei ausdrücklich auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Bezug genommen, dem ein Lichtbild des am Büroeingang der freien Werkstatt angebrachten Hinweisschildes mit der Aufschrift "Schadenservice Spezial-Partnerwerkstatt XXX Versicherungen" beigefügt war. Das Berufungsurteil wird deshalb aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es wird dabei zu beachten haben, dass die beklagte Versicherung die Beweislast dafür trägt, dass sie ihrer Abrechnung die üblichen Preise der freien Werkstatt zugrunde gelegt hat und es dem Kläger deshalb zumutbar war, die ihm aufgezeigte günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit dort wahrzunehmen. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht ferner dem Kläger Gelegenheit zur Konkretisierung seiner pauschalen Behauptung zu geben haben, er habe sein Fahrzeug bei einer bestimmten Mercedes-Benz-Niederlassung gekauft und es dort auch stets warten und reparieren lassen (BGH, Urteil vom 22.06.2010; Az.: VI ZR 337/09).
Dieses Urteil ist Bestandteil des Beitrags Regulierung von Unfallschäden – Wann Sie die Kfz-Versicherung auf freie Werkstätten verweisen darf.
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