Achtsamkeitstraining: die 4 Bausteine der Achtsamkeit
Achtsamkeit für Anfänger
Dem Hamsterrad entkommen. Sich nicht mehr gestresst fühlen. Das Wohlbefinden steigern. Gelassener (re-)agieren. Gesund bleiben. Den Umgang mit Stress optimieren. Die Momente ausschöpfen. Endlich in der Gegenwart verweilen.
Es gibt viele Gründe, die eigene Achtsamkeit trainieren zu wollen. Auch Sie werden Ihre ganz persönlichen Gründe haben. Gründe, die sehr stark sind. Schließlich haben Sie im Internet nach Informationen über Übungen nach Achtsamkeit gesucht. Somit ist Ihre Motivation sehr hoch, mit dem Achtsamkeitstraining zu beginnen. Wunderbar.
Vielleicht wollen Sie gleich loslegen. Haben Sie stattdessen noch einen Moment Geduld. Machen Sie sich erst mit den 4 Bausteinen der Achtsamkeit vertraut. Damit Sie später bei den Achtsamkeitsübungen wissen, auf was es ankommt.
Kurzer Background der Achtsamkeit
In den 1970er Jahren entwickelte Jon Kabat-Zinn, emeritierter Professor an der University of Massachusetts Medical School in Worcester ein achtsamkeitsbasiertes Stressbewältigungs-Programm –Mindfulness-Based-Stress-Reduction (MBSR). Das Programm, das meist acht Wochen umfasst, hilft gegen Stress. In der Zwischenzeit wird jedoch das Achtsamkeitstraining längst auch bei Angst und Panikattacken eingesetzt. Das Erlernen der Achtsamkeitsmeditation hilft besser mit (chronischen) Krankheiten umgehen zu können. Auch wurden Achtsamkeitsübungen entwickelt, die bei Depressionen helfen.
Die 4 Bausteine der Achtsamkeit
Baustein 1: Aufmerksamkeit lenken
Nun, Sie lenken längst Ihre Aufmerksamkeit! Im Grunde beherrschen Sie somit diesen Baustein der Achtsamkeit. Denn jeden Moment Ihres Tages registrieren Sie Impulse, die von außen auf Sie einströmen. Manche dieser Impulse werden nur am Rand wahrgenommen. Andere fordern Sie zum Handeln auf. Andere wiederum gelangen kaum in Ihr Bewusstheit – diese werden ausgeblendet.
Ihre Aufmerksamkeit trifft somit jede Sekunde des Tages eine Auswahl. Eine Auswahl, die durch vorbereitete innere Strukturen und Wahrnehmungsmuster getroffen wird. Solche Muster entstanden – und entstehen weiterhin – durch Ihre Sozialisation, Ihre Kultur, Ihre Glaubenssätze, Erfahrungen, Werte, Anschauungen und durch Ihr vergangenes, wie auch aktuelles gesellschaftliches Umfeld. Wie jeder Mensch nehmen Sie die Welt nicht wirklich wahr, wie sie ist, sondern drücken der Welt das eigene vorgeformte Bild der Welt auf.
Achtsamkeitsübung „Aufmerksamkeit“
Ihre Aufmerksamkeit ist gerade gebunden – an das Lesen dieses Textes. Dafür haben Sie vieles ausgeblendet. Eine wichtige Fähigkeit, um konzentriert den Inhalt dieses Textes wahrzunehmen.
Weiten Sie jetzt den Radius Ihrer Aufmerksamkeit. Nehmen Sie einmal wahr, ohne den Blick vom Text zu nehmen, was Sie (vielleicht) im Hintergrund dennoch wahrgenommen haben. Vielleicht das Summen des PCs/Druckers? Vielleicht die Stimme des Kollegen, der mit jemandem telefonierte? Vielleicht den Lärm auf der Straße? Vielleicht die Wolle des Pullovers auf der Haut?
Spüren Sie einmal nach,
- welche der Wahrnehmungen Ihre Welt bestätigt
- welche eher eine Irritation auslöst.
- welche einen ganz anderen, vielleicht auch neuen Blick auf die Welt bereitet. Achten Sie dabei auf aufpoppende Gedanken und Gefühle.
Achtsam zu sein, heißt genau wie in der obigen Übung zu verfahren:
Ihre Aufmerksamkeit zu weiten, um so die Optionen Ihrer Wahrnehmungsfähigkeit zu erhöhen – umso letztendlich die eigene Welt zu öffnen.
Achtsamkeit holt Sie immer wieder in den Augenblick zurück, in das bewusste Wahrnehmen, an den Ort des willentlichen Entscheidens und des absichtsvollen Handelns.
Tipp:
Im Beitrag „Achtsamkeitstraining: 5 Übungen, um den Fokus zu lenken“ erfahren Sie, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit während des Tages immer wieder neu ausrichten können.
Baustein 2: Die Gegenwärtigkeit erleben
Achtsamkeit lässt Sie wählen, wohin Sie Ihren Fokus lenken. Achtsamkeit darf und soll Sie aber auch wieder im gegenwärtigen Moment verankern. Sie, wie die meisten Menschen, neigen dazu, sich nicht in der Gegenwart zu erleben. Vielmehr denken Sie darüber nach, was war oder was sein wird. Und so „verpassen“ Sie den Moment. Den Moment, in dem sich Ihr Leben abspielt. Leider. Aber auch diese Tatsache darf erst einmal wohlwollend angenommen werden.
Achtsamkeitsübung „Den Augenblick erleben“
Lenken Sie Ihre Achtsamkeit auf Ihren Atem. Atmen Sie in Ihrem Tempo ein und aus. Ein und aus. Ein und aus – für eine Minute lang. Dies ist Ihr gegenwärtiger Moment.
Durch die Fokussierung auf Ihren Atem gelingt es in der Regel leichter, im Jetzt zu verweilen. Manches Mal klappt es allerdings trotz dieser Fokussierung nicht. Spüren Sie dieser Übung einmal kurz nach:
- Wie lange, sprich wie viele Atemzüge, verweilte Ihre Aufmerksamkeit tatsächlich bei Ihrem Atem?
- Wohin wendete sich stattdessen Ihr Fokus? Womit beschäftigten sich Ihre Gedanken? Mit Problemen? Mit Aufgaben? Mit vergangenen Situationen aus der letzten Woche?
Ihre Erkenntnisse aus dieser Achtsamkeitsübung wirft eine wichtige Frage auf:
Wie können Sie den gegenwärtigen Moment wieder als solchen erleben?
Das Training der Achtsamkeit empfiehlt, eine Haltung einzunehmen, die als „Anfänger-Geist“ bezeichnet wird. In dieser Haltung des „Anfänger-Geistes“ begegnen Sie dem Moment wie ein Kind. Beobachten Sie mit Offenheit und Neugierde, was gerade geschieht. Trauen Sie sich, soweit es geht, unvoreingenommen, der Situation mit ihren Menschen und Ereignissen zu begegnen.
Tipp:
Im Beitrag „Achtsamkeit trainieren: 3 Achtsamkeitsübungen“ erfahren Sie, wie Sie in der Gegenwart ankommen können.
Baustein 3: Ohne Bewertung sich selbst und den Moment erleben
Ihre Aufmerksamkeit filtert nicht allein die Impulse, die auf Sie einströmen. Blitzschnell werden diese auch bewertet. Sie beurteilen das Geschehen. Mal ist dies wohlwollend „Tina hat heute Morgen im Zoom-Meeting alles klug zusammengefasst.“ Manches Mal ist Ihre Bewertung eher abwertend und negativ. „Das gibt es doch nicht. Muss Tom immer eine Killerphrase nach der anderen von sich geben.“
Achtsamkeitsübung „Ohne Bewertung den Moment erleben“
Verlassen Sie für einen Moment ganz bewusst diesen Moment. Lassen Sie die letzte Stunde oder den Vormittag in Ihrer Erinnerung Revue passieren. Wie sind Sie zur Arbeit gekommen? Was haben Sie auf Ihrer Fahrt zur Arbeit erlebt? Gab es Stau? Hat Sie jemand beim Einfädeln des Autos auf die Fahrbahn geschnitten? Wie haben Sie dieses Geschehen und das Tun Ihres Mitmenschen eingeschätzt? Wie ging und geht es Ihnen gerade JETZT mit dieser Bewertung?
Wechseln Sie in die Haltung des Anfänger-Geistes. Beschreiben Sie für sich laut oder in Gedanken, was Sie in diesem vergangenen Moment erlebt haben. „Es gab Stau auf beiden Fahrbahnen, weil durch die Baustelle sich vorne die Fahrbahn verengt. Ich wollte dann rechtzeitig auf die eine Fahrbahn wechseln. Ich habe den Blinker gesetzt. Mich nach links orientiert. Das Auto auf der linken Fahrbahn ist aber einfach weitergefahren, sobald es weiterging. Ich konnte mich nicht in die entstehende Lücke einfädeln. Es ist aber nichts passiert. Ich musste auf die nächste Lücke warten.“
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das vergangene Geschehen und den damit verbundenen Moment durch den „Anfänger-Geist“ betrachten?
Achtsamkeit im Augenblick fördert das Erkennen solcher Bewertungen – ob positiv oder negativ. Solch ein Erkennen darf nicht unterschätzt, sondern darf wertgeschätzt werden. Denn jede Bewertung hat ja Auswirkungen auf Sie. All dies wahrzunehmen, schafft Raum für Wohlwollen und Akzeptanz. Indem Sie „beobachten“, distanzieren Sie sich von den Dingen und Geschehnissen. Sie verschmelzen nicht automatisch und blitzschnell mit der Situation, sondern bewahren einen Abstand. Ein Abstand, der Ihnen Raum gibt, wahrzunehmen, was im Außen und in Ihrem Inneren gerade vorgeht.
Baustein 4: Akzeptieren, was ist
Sie ahnen es. Einen Moment lang darf alles so sein, wie es ist. Sie dürfen so sein, wie Sie sind. Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit achtsam lenken und das Geschehen beobachten, ohne es bewerten, tritt eins ein: Sie akzeptieren, was ist. Dadurch gelingt es, sich ohne vorgefasste Meinung oder starke Emotionen auf die Situation einzustellen – und andere Handlungswege für sich zu entdecken. Achtsame Akzeptanz schenkt Ihnen Freiheit. Freiheit, wahrzunehmen und dann zu handeln. Sie erlangen dadurch deutlich mehr Kontrolle über Ihr Leben.
Achtsamkeitsübung „Akzeptieren, was ist“
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas, was Sie im Moment besonders beschäftigt. Vielleicht sogar seit Stunden, gar Tage Ihr Interesse fordert. Nehmen Sie jetzt erst einmal wahr, was in Ihrem Kopf vor sich geht. Wie beschreiben Sie das Geschehen oder das Problem? Wie bewerten Sie es?
Tipp:
Im Beitrag „Mit Achtsamkeit Stress reduzieren und Wohlbefinden steigern“ erfahren Sie, wie Sie durch Ihre Gedanken und Gefühle Ihren Stress triggern, aber auch auflösen können.
Treten Sie jetzt einen Schritt zurück. Begeben Sie sich in den „Anfänger-Geist“. Schauen Sie jetzt mit Offenheit und ohne Bewertung auf die Situation. Akzeptieren Sie, was geschehen ist – wie beispielsweise, dass Tom Killerphrasen geäußert hat. Es darf sein, weil es so ist. Wie verändert sich durch diese achtsame Akzeptanz Ihre innere Haltung? Wie verändern Sie sich selbst, d.h. ruhen Sie beispielsweise in sich selbst?
Achtsame Akzeptanz löst Sie von den Erwartungen, die Sie an den Moment und das Leben stellen. Erwartungen, die sich auf andere beziehen, aber auch immer wieder sehr stark auf sich selbst „Ich muss jetzt durchgreifen“. Erwartungen - wie beispielsweise „Killerphrasen gehören in kein Meeting“ -, die einengen und somit den Handlungsspielraum begrenzen. Durch das Annehmen und Akzeptieren was ist, lässt sich eine neue Basis für die Gestaltung des eigenen Handelns finden. Und dies eignet sich bestens, um die Achtsamkeit im Alltag zu trainieren.
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