Bewerbungsgespräch: Kündigung trotz falscher Antwort auf Frage nach Schwerbehinderung unwirksam
Falsche Antwort im Bewerbungsgespräch kann arglistige Täuschung darstellen
Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann laut Bundesarbeitsgericht (BAG) den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt allerdings voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein. Im Ausgangsfall ging es um die Kündigung der Mitarbeiterin eines großen Softwareunternehmens, die beim Bewerbungsgespräch die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung verneint hatte. Als der Arbeitgeber von der tatsächlichen Sachlage erfuhr, focht er den Arbeitsvertrag an und kündigte. Die Frau erhob Klage.
Arbeitsvertrag wäre auch bei Schwerbehinderung geschlossen worden
Das BAG entschied hier wie die Vorinstanzen, dass die erklärte Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags unwirksam sind. Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung zwar unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Der Arbeitgeber habe nämlich ausdrücklich erklärt, er hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Er vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin ihn zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme des Arbeitgebers, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die seit Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX und des AGG umstrittene Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung überhaupt erkundigen darf, kam es hier nicht an.
Kein Schadenersatz wegen Diskriminierung nach dem AGG
Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indizien dafür, dass sie vom Arbeitgeber wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Der Senat hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist (BAG, Urteil vom 07.07.2011; Az.: 2 AZR 396/10).
Weitergehende Informationen zu diesem Thema erhalten Sie in unserem Artikel: Nicht jede Lüge im Vorstellungsgespräch rechtfertigt eine Anfechtung.
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