Verdachtskündigung ist sogar bei 30-jähriger Betriebszugehörigkeit zulässig
Nicht immer haben Sie als Arbeitgeber vollständige Sicherheit darüber, ob sich ein Mitarbeiter tatsächlich so pflichtwidrig verhalten hat, dass Sie fristlos kündigen können. Wenn Sie aber endgültig das Vertrauen in einen Mitarbeiter verloren haben, ist eine Verdachtskündigung durchaus zulässig. Dass eine solche Kündigung selbst an einer langjährigen Betriebszugehörigkeit nicht scheitern muss, hat jüngst das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt.
Der Fall aus der Praxis
Seit mehr als 30 Jahren war eine Arbeitnehmerin in einem produzierenden Unternehmen als Zeitbeauftragte tätig. Zu ihren Arbeitsaufgaben gehörte die Verwaltung der EDV -unterstützten Zeitwirtschaft des Unternehmens, welches die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter erfasste. Durch diese Tätigkeit hatte sie neben dem Zugriff auf Zeitkonten von insgesamt ca. 250 Mitarbeitern auch Zugang zu ihrem eigenen Zeitkonto.
In den letzten 18 Monaten ihrer Beschäftigung kam es in mindestens 88 Fällen zu manuellen Korrekturen der Zeitdaten unter Eingabe eines Benutzernamens sowie eines persönlichen Passwortes. Dabei lagen zwischen dem berichtigten Zeitergebnis und der Korrektur häufig mehrere Wochen. Darüber hinaus wies das Gleitzeittagekonto der Arbeitnehmerin Arbeitszeiten aus, obwohl sie an diesen Tagen nicht gearbeitet hatte.
Über diese Umstände wurde die Geschäftsführung am 05.08.2008 durch einen anonymen Hinweis informiert. Daraufhin wurde die Arbeitnehmerin zu einem persönlichen Gespräch gebeten. Aufgrund einer Krankmeldung von 05.08.2008 bis 17.08.2008 fand dieses Gespräch erst am 19.08.08 statt. Im Gespräch wurde der Verdacht der Manipulation der Arbeitszeitdaten geäußert.
In Folge der Konfrontation mit diesem Vorwurf räumte die Arbeitnehmerin ein, „ein bisschen“ manipuliert zu haben. Schließlich unterzeichnete sie eine schriftliche Eigenkündigung, wodurch das Beschäftigungsverhältnis zum 30.08.2008 beendet wurde. Noch am gleichen Tag widerrief sie die Erklärung, worauf ihr das Unternehmen mit Schreiben vom 22.08.2008 fristlos kündigte. Dagegen erhob die Arbeitnehmerin Klage.
Das sagt der Richter
Das Gericht gab dem Unternehmen Recht. Die fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB sei rechtmäßig erfolgt. Ein wichtiger, also hinreichender Grund liege auch bei reinen Verdachtsmomenten vor, wenn der Vorwurf der Arbeitszeitmanipulation ausreichend untermauert wäre.
Der Verdacht der Manipulation habe sich einerseits dadurch konkretisiert, dass die Klägerin selbst einräumte, „ein bisschen“ manipuliert zu haben. Andererseits sei der Zugang zu ihren Zeitdaten nur mit Hilfe ihres Benutzernamens sowie ihres persönlichen Kennwortes möglich gewesen. Des Weiteren habe der Arbeitgeber das seinerseits Erforderliche zur Aufklärung getan, insbesondere eine Anhörung der Klägerin unternommen. Die Kündigung erfolgte auch unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit.
Zu Gunsten der Klägerin sprechen die mehr als 30-jährige Betriebszugehörigkeit sowie der Umstand, dass die Chancen auf eine neue Beschäftigung in einem anderen Unternehmen sehr gering seien. Auf der anderen Seite sei aber in die Waagschale zu werfen, dass durch den dringenden Verdacht der Arbeitszeitmanipulation in 88 Fällen über die Dauer von 2 Jahren das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität der Arbeitnehmerin endgültig zerstört sei. Von diesem Vertrauen sei das Arbeitsverhältnis aber in besonderem Maße abhängig, da die Arbeitnehmerin durch ihre Vertrauensstellung ihre Arbeit nur bei einem genauen und korrekten Arbeitsverhalten überhaupt erledigen könne(LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.2009, 7 Sa 735/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Hegen Sie Verdachtsmomente hinsichtlich der Integrität eines Mitarbeiters, ist Trennung eigentlich immer der beste Weg. Im Regelfall fehlen Ihnen allerdings meist konkrete Beweise für ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers. Die Verdachtskündigung ist, wie dargestellt, zwar durchaus möglich, allerdings legen die Gerichte zum Schutz der Arbeitnehmer strenge Maßstäbe an. Neben den allgemeinen Anforderungen an eine Kündigung muss zusätzlich ein dringender Tatverdacht hinzukommen. Es müssen dabei Tatsachen - und nicht bloße Wertungen - vorliegen, die eine große Wahrscheinlichkeit begründen, dass ihr Mitarbeiter tatsächlich die fragliche Pflichtverletzung begangen hat.
Vorsicht
Die vorgeworfene Pflichtverletzung muss für eine Verdachtskündigung so schwer wiegen, dass sie auch als bewiesene Tat eine Kündigung rechtfertigen würde. Das dürfte bei gegen Sie als Arbeitgeber gerichteten Straftaten regelmäßig der Fall sein.
Sie müssen weiter alles Zumutbare tun, um den Verdacht aufzuklären. Hierzu gehört insbesondere die vor Ausspruch der Verdachtskündigung erforderliche Anhörung des Arbeitnehmers. Eine nicht ordnungsgemäße Anhörung macht die Verdachtskündigung grundsätzlich unwirksam.
Expertenrat
Sie sind gut beraten, wenn Sie dem Arbeitnehmer bereits mit der Einladung zur Anhörung mitteilen, auf welche Tatsachen Sie den Verdacht stützen. Es ist sinnvoll, dies schriftlich zu formulieren, um sich so spätere Auseinandersetzungen über die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung zu ersparen.
Checkliste zum Download
Anhand der Checkliste können Sie vorab prüfen, ob Ihre Verdachtskündigungvor dem Arbeitsgerichts Bestand haben wird!
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