Fristlose Kündigung: Sexismus am Arbeitsplatz kostet den Job
Sexismus am Arbeitsplatz rechtfertigt fristlose Kündigung ohne Abmahnung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat die fristlose Kündigung eines Jugendamtsleiters wegen Sexismus für wirksam erklärt. Der Beschäftigte hatte in mehreren Fällen, durch sexuell grenzüberschreitende Äußerungen gegenüber bzw. in Anwesenheit von Mitarbeitern, seine Pflichten erheblich verletzt.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer ist seit Juli 2009 als Jugendamtsleiter eines Kreises beschäftigt. Zuvor war er seit 1993 bei den Jugendämtern anderer Städte tätig. Mit Schreiben vom 18.01.2011 erklärte der beklagte Kreis als Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages mit dem Jugendamtsleiter. Mit Schriftsatz vom darauffolgenden Tag kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zusätzlich fristlos. In der Folgezeit sprach der Arbeitgeber eine weitere Anfechtung und mehrere neuerliche Kündigungen aus. Er wirft dem Kläger vor, für das Amt des Jugendamtsleiters charakterlich ungeeignet zu sein. Der Kläger weist die Vorwürfe als pauschal und unzutreffend zurück und erhob Kündigungsschutzklage.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts sei das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die Anfechtung vom 18.01.2011 aufgelöst worden, weil keine Gründe für eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen hätten. Die fristlose Kündigung vom 19.01.2011 sei jedoch wirksam. Diese habe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in mehreren Fällen durch sexuell grenzüberschreitende Äußerungen gegenüber bzw. in Anwesenheit von Mitarbeiterinnen seine Pflichten als Jugendamtsleiter erheblich verletzt habe, zumal die Äußerungen jedenfalls teilweise Jugendliche betroffen hätten. Aufgrund der Gesamtheit aller bewiesenen Äußerungen sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Auch die Interessenabwägung sei zulasten des Klägers ausgefallen. Hier hätten insbesondere die nur kurze Beschäftigungszeit des Klägers und seine Stellung als Jugendamtsleiter Berücksichtigung gefunden (LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2012, Az.: 5 Sa 684/11).
Keine Anfechtung ohne Anfechtungsgrund
Die Anfechtung eines Arbeitsvertrages setzt das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes voraus. Als Anfechtungsgründe kommen in Betracht:
- Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB
Der Erklärende irrt über den Bedeutungsinhalt und damit über wesentliche Folgen seiner Erklärung. Der Erklärende wollte genau das erklären, was er auch gesagt oder geschrieben hat, interpretiert aber die Erklärung falsch. Z. B. der Erklärende irrt über die Bedeutung des Begriffes „Gros“ und bestellt 15 „Gros“ Blumenerde. Er ist sich nicht darüber bewusst, dass er 15 Dutzend, also 180 Säcke Blumenerde bestellt hat.
- Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB
Der Erklärende irrt über seine Erklärungshandlung und nimmt an, etwas anderes erklärt zu haben. Z. B. der Erklärende (Arbeitgeber) möchte dem Arbeitnehmer 2.300 € brutto bezahlen, verschreibt sich aber und bietet ihm 3.200 € brutto an.
- Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB
Der Erklärende irrt über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache. Z. B. der Käufer geht beim Kauf eines Autos irrig davon aus, dass die Winterreifen im Kaufpreis inbegriffen sind.
- falsche Übermittlung nach § 120 BGB
Die falsche Übermittlung wird als Anfechtungsgrund einem Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB gleichgestellt. Eine falsche Übermittlung ist eine, z.B. durch einen technischen Fehler, verzerrte oder falsch adressierte Erklärung.
- arglistige Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB
Täuschung ist das Hervorrufen einer falschen Vorstellung über Tatsachen. Eine arglistige Täuschung ist eine vorsätzliche Täuschung. Der Täuschende weiß, dass ein Anderer seine Erklärung so nicht abgeben würde, wenn der Andere über die wahren Tatsachen Bescheid wüsste. Auch ein Schweigen kann eine arglistige Täuschung sein.
- widerrechtliche Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB
Unter einer Drohung i. d. S. ist die Ankündigung eines Übels zu verstehen, das der Drohende nach seinen Angaben beeinflussen kann. Dabei ist unerheblich, ob die Drohungshandlung vom Drohenden tatsächlich beeinflusst werden kann.
Keine fristlose Kündigung ohne wichtigen Grund
Die fristlose Kündigung steht und fällt mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB. Ohne wichtigen Grund kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur ordentlich kündigen.
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
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