BAG: Ärztin hat keinen Anspruch auf 26 Wochen Entgeltfortzahlung
Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt nicht arbeiten können, erhalten nach den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) für die Dauer von sechs Wochen ihr Arbeitsentgelt fortbezahlt, sofern nicht in einem anwendbaren Tarifvertrag andere Vereinbarungen enthalten sind. Eine Ärztin bezog sich auf einen solchen Tarifvertrag und forderte von ihrem Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung für die Dauer von 26 Wochen.
Der Fall aus der Praxis
Eine in einem Krankenhaus tätige Ärztin lag mit ihrem Arbeitgeber im Streit über die Frage, ob sie für 26 Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen kann. Der auf das Arbeitsverhältnis der Medizinerin anwendbare Tarifvertrag regelt u. a., dass bei einer Beschäftigungszeit von mindestens zehn Jahren die Bezüge im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von 26 Wochen weitergezahlt werden. Das Arbeitsverhältnis der Ärztin besteht seit 1995. Im März 2000 hatten alle beim Arbeitgeber beschäftigten, privat krankenversicherten Ärzte die schriftliche Mitteilung erhalten, dass unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeit im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit seit dem 01.12.1999 die Bezüge bis zu einer Dauer von 26 Wochen weitergezahlt werden. Im Juni 2007 hatte die Medizinerin anlässlich einer längeren Erkrankung Entgeltfortzahlung für lediglich sechs Wochen erhalten. Auf ihre Beschwerde hin erklärte sich der Arbeitgeber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, einmalig das Entgelt für längstens 26 Wochen fortzuzahlen. Das war der Ärztin jedoch nicht genug. Sie beantragte deshalb die Feststellung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, ihr im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für die Dauer von 26 Wochen zu leisten. Der Arbeitgeber beantragte Klageabweisung. Nach seiner Auffassung seien „Beschäftigungszeit“ und „Beginn des Arbeitsverhältnisses“ nach dem Tarifvertrag zu unterscheiden. Eine übertarifliche Leistung habe er nicht zugesagt.
Das sagt der Richter
Die Bundesrichter gaben dem Arbeitgeber recht. Die im Juni 2007 erfolgte Zusage, einmalig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall über die Dauer von mehr als sechs Wochen zu leisten, habe keinen Anspruch auf eine dauerhafte Gewährung entsprechender übertariflicher Leistungen begründet.
Auch auf das Schreiben aus dem Jahr 2000 könne die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Der Arbeitgeber habe mit dem Schreiben lediglich die Rechtslage erläutern wollen. Dabei sei ihm ein Fehler unterlaufen, denn die Auskunft sei falsch gewesen. Es habe für die Klägerin und ihre gleichfalls angesprochenen ärztlichen Kollegen allerdings keinen Grund zu der Annahme gegeben, dass der Arbeitgeber die Rechtslage dahingehend gestaltend ändern wolle, dass er über die tarifvertraglich begründete Verpflichtung hinaus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu 26 Wochen Dauer gewähre. Es handle sich nicht um eine sogenannte Gesamtzusage, mit der Arbeitnehmer einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen erwerben, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
Auf den Tarifvertrag könne sich die Klägerin auch nicht stützen. Beschäftigten wie ihr, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30.06.1994 begann, würden Krankenbezüge gemäß § 22 Abs. 2 MDK-T (siehe unten) lediglich bis zur Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. Der Wortlaut dieser ausschließlich auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abstellenden Tarifnorm sei eindeutig (BAG, Urteil vom 08.12.2010, Az.: 5 AZR 697/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Soweit eine tarifvertraglich Regelung über die Verlängerung des Zeitraumes für die Entgeltfortzahlung auf ein Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung in § 3 Abs. 1 EFZG. Welche Anforderungen hiernach erfüllt sein müssen, erfahren Sie in unserer Checkliste: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Wichtiger Hinweis
Die Gesamtzusage ist eine Zusicherung von zusätzlichen Leistungen des Arbeitgebers an die Belegschaft.
§ 22 Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit (Tarifvertrag für die Beschäftigten der MDK)
(1) Den Beschäftigten wird im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit oder während der Dauer eines durch die Sozialversicherungsträger, einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung genehmigten - bzw. bei nicht gesetzlich kranken- oder rentenversicherten Beschäftigten einer ärztlich verordneten - stationären Vorsorge- oder medizinischen Rehabilitationsmaßnahme die Vergütung bis zur Dauer von 6 Wochen weitergezahlt, bei einer Beschäftigungszeit zu Beginn des auslösenden Ereignisses
von mindestens 2 Jahren bis zur Dauer von 9 Wochen,
von mindestens 3 Jahren bis zur Dauer von 12 Wochen,
von mindestens 5 Jahren bis zur Dauer von 15 Wochen,
von mindestens 8 Jahren bis zur Dauer von 18 Wochen,
von mindestens 10 Jahren bis zur Dauer von 26 Wochen.
2) Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30.06.1994 beginnt, wird die Vergütung gemäß Abs. 1 bis zur Dauer von 6 Wochen weitergezahlt. Einmalig in jedem Kalenderjahr besteht nach Ablauf von 6 Wochen für die Zeit des sich anschließenden Krankengeldbezuges Anspruch auf Krankengeldzuschuss, und zwar bei einer Beschäftigungszeit zu Beginn des auslösenden Ereignisses
von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche,
von mehr als drei Jahren längstens bis zum Ende der 26. Woche
seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Erstreckt sich die Erkrankung ununterbrochen von einem in das nächste Kalenderjahr oder erkranken die Beschäftigten innerhalb von 13 Wochen nach Wiederaufnahme der Arbeit erneut wegen der gleichen Ursache, verbleibt es bei dem Anspruch aus dem Vorjahr.
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