Aufhebungsvertrag trotz Kündigungsandrohung wirksam
Droht ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter den Rauswurf für den Fall an, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt, so gilt dieses Verhalten nicht zwangsläufig als widerrechtliche Drohung und somit Anfechtungsgrund.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin war seit 1999 in einem Alten- und Pflegeheim als Pflegekraft beschäftigt. Im Februar 2008 erhielt die Pflegedienstleiterin Kenntnis von Anschuldigungen einzelner Heimbewohnern gegenüber der Mitarbeiterin (gewaltsames Füttern und Zähneputzen, Zufügen von Hämatomen durch grobe Pflegehandlungen, Beleidigungen wie „blöde Kuh“, „stirb doch endlich“). In der Folge befragte die Pflegedienstleiterin die Kolleginnen und Kollegen der Mitarbeiterin zu den Anschuldigungen. Im Rahmen eines Personalgesprächs erhielt die Pflegekraft die Möglichkeit, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Der Personalleiter gab ihr zu verstehen, dass der Verdacht bestehe, sie würde im Nachtdienst Heimbewohner durch physische und psychische Gewaltanwendung misshandeln. Die Mitarbeiterin stritt die Vorwürfe ab. Der Personalleiter kündigte ihr daraufhin den Ausspruch einer fristlosen Kündigung an. Als Alternative bot er ihr den Abschluss eines Auflösungsvertrages an. Die Pflegekraft stimmte zu und unterschrieb an Ort und Stelle den Vertrag. Zwei Tage später focht sie den Auflösungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an.
Das sagt der Richter
Die Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts habe die Mitarbeiterin nicht dargelegt, dass der Arbeitgeber sie zum Abschluss des Auflösungsvertrages unter widerrechtlicher Androhung einer fristlosen Kündigung genötigt hat. Vielmehr habe dieser aufgrund seines Kenntnisstandes eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Dass die Vorwürfe tatsächlich zutreffen, müsse im Anfechtungsprozess nicht vom Arbeitgeber bewiesen werden (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.12.2009, Az.: 2 Sa 223/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Widerrechtlich i. S. d. § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und somit anfechtbar ist die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen musste, die angedrohte Kündigung würde einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten.
Darlegungs- und Beweislast trifft Arbeitnehmer
Die Beweislast für die Widerrechtlichkeit der Drohung liegt im Anfechtungsverfahren beim Arbeitnehmer. Er muss beweisen, dass ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Der Arbeitgeber muss die Umstände genau bestimmen, aus denen sich seiner Ansicht nach ein Kündigungsgrund ergibt. Der Arbeitnehmer kommt seiner Beweisführungspflicht dadurch nach, dass er diese Umstände widerlegt.
Wichtiger Hinweis
Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung ist neben dem Vorliegen eines Anfechtungsgrundes die rechtzeitige Anfechtungserklärung. Sind beide Anforderungen erfüllt, gilt der Aufhebungsvertrag nach § 142 BGB als von Anfang an nichtig.
Checkliste zum Download
Welche Vorteile ein Aufhebungsvertrag bietet und wie Sie als Arbeitgeber davon profitieren können, erfahren Sie anhand unserer Checkliste Vorteile Aufhebungsvertrag.
Andere Anfechtungsgründe kommen selten vor
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 BGB oder wegen eines Irrtums, § 119 BGB haben im Arbeitsrecht hingegen einen schweren Stand. So geht die Rechtsprechung des BAG davon aus, dass eine Irrtumsanfechtung üblicherweise ausscheidet, da der Inhalt der Vereinbarung, also die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, beiden Parteien bewusst ist. Auch eine arglistige Täuschung wird Arbeitgebern selten zu Last gelegt werden können.
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Neben einer Anfechtung sieht das geltende Recht noch weitere Möglichkeiten vor, einen Aufhebungsvertrag zu beseitigen. Welche das sind, erfahren Sie mittels unserer Checkliste Nichtigkeit Aufhebungsvertrag.
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