Ohne Abmahnung keine Kündigung: So ist die Rechtslage
Was bedeutet eigentlich die Abmahnung im Arbeitsrecht?Mit der Abmahnung soll zum einen das Fehlverhalten eines Arbeitnehmers beanstandet werden. Zum anderen droht der Arbeitgeber dem Mitarbeiter für den Fall eines weiteren Pflichtverstoßes arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung an.
Die Abmahnung ist die Vorstufe der Kündigung
Gekündigt werden darf einem Arbeitnehmer aus verhaltens- oder leistungsbedingten Gründen in der Regel nur, wenn er
- zuvor wegen eines anderen, gleichgelagerten Fehlverhaltens abgemahnt wurde und
- er sein Verhalten beeinflussen, also steuern kann.
Die Abmahnung bildet also die Vorstufe zur Kündigung. Demgegenüber enthalten Ermahnungen, Verwarnungen oder Ähnliches keine Androhungen von arbeitsrechtlichen Sanktionen. Diese sind daher kündigungsrechtlich bedeutungslos und ihrerseits die Vorstufe zur Abmahnung.
Expertenrat
Ein Fehlverhalten darf nur einmal sanktioniert werden. Wurde bereits abgemahnt, darf nicht wegen desselben Pflichtverstoßes später noch gekündigt werden.
Auch Arbeitnehmer können den Arbeitgeber abmahnen
Umgekehrt können auch Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnen. Das gilt insbesondere bei
- nicht ordnungsgemäßer oder verspäteter Lohnzahlung
- wiederholtes Verlangen unzulässiger Über- oder Mehrarbeit
- Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften und Arbeitszeitrecht
- Mobbing
Im Wesentlichen gelten hier dieselben Grundsätze wie bei der arbeitgeberseitigen Abmahnung. Also auch ein Arbeitnehmer muss - bevor er kündigt - dem Arbeitgeber eine Abmahnung erteilt haben.
Wie oft abgemahnt werden muss
Wie oft abzumahnen ist, bevor gekündigt werden darf, richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Schwere des Pflichtverstoßes. Handelt es sich um einen langjährigen und zuverlässigen Arbeitnehmer, der etwa erstmalig öfters kurze Zeit zu spät kommt, sollten bis zu drei Abmahnungen bei gleichgelagerten neuen Verstößen erfolgen. Erst dann ist an eine Kündigung zu denken. Erscheint dagegen ein seit kurzem beschäftigter Mitarbeiter mehrfach zur verspätet zur Arbeit, reicht eine Abmahnung bereits aus, bevor wegen seines erneuten Zu-Spät-Kommens die arbeitgeberseitige Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Es sollte aber generell nicht öfters als dreimal abmahnt werden.
Praxis-Tipp
Gleichgelagerte Fehlverhalten sind solche, bei denen der abgemahnte Pflichtverstoß und der Wiederholungsfall vergleichbar sind. Das etwa beim Zu-spät-Kommen und Überziehen der Pausen der Fall; ebenso beispielsweise bei unentschuldigtem Fehlen, unberechtigtem Verlassen des Arbeitsplatzes, unterlassener Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und verspäteter Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Wann die letzte Abmahnung besonders eindringlich sein muss
Wurde öfters als dreimal wegen eines gleichgelagerten Fehlverhaltens abgemahnt, verliert die Abmahnung ihre Warnfunktion. Eine Kündigungwegen eines erneuten Pflichtverstoßes ist dann sozial ungerechtfertigt, da diese wegen der unwirksamen Abmahnungen unverhältnismäßig ist. Daher ist es erforderlich, dass in solchen Fällen die letzte Abmahnung besonders eindringlich und scharf formuliert ist.
Vorsicht!
Letzte Abmahnung
Bei mehr als drei Abmahnungen muss aus der letzten Abmahnung eindeutig zu erkennen sein, dass es sich um die „letzte" Abmahnung vor der Kündigung handelt. Dazu hat diese Abmahnung den Begriff „letzte Abmahnung" zu enthalten. Zudem muss die Abmahnung klar zum Ausdruck bringen, dass beim nächsten Fehlverhalten in jedem Fall die Kündigung erfolgen wird.
Diese Fristen sind wichtig
Die Rechtsprechung hat folgende Fristen entwickelt:
- Das Recht zur Abmahnung verwirkt 6 Monate nach dem Pflichtverstoß. Danach hat die Abmahnung keine Wirkung mehr.
- Nach der Abmahnung sollte der anderen Partei grundsätzlich mindestens 4 Wochen Zeit gegeben werden, ihr Verhalten zu ändern.
- Mindestens 2 Jahre nach dem Pflichtverstoß wird die Abmahnung wirkungslos. Sie müssen erneut abmahnen, bevor Sie kündigen dürfen.
Formalien: Darauf kommt es bei der Abmahnung an
Aus Beweisgründen sollte stets schriftlich abgemahnt werden, was in einigen Tarifverträgen auch vorgeschrieben ist. Achten Sie darauf, dass der Begriff „Abmahnung" in dem Schreiben enthalten ist.
Dabei muss die Abmahnung folgende vier Funktionen erfüllen:
1. Hinweisfunktion
Pauschale Angaben oder Schlagwörter halten vor dem Arbeitsgericht nicht stand. Schildern Sie den Pflichtverstoß genau unter Angabe von
- Datum, konkrete Uhrzeit und Ort
- konkrete Bezeichnung und Beschreibung des Pflichtverstoß
- etwaige vom Pflichtverstoß betroffene Personen
- durch den Pflichtverstoß eingetretene Schäden oder Störungen der Betriebsabläufe
- etwaige vorhandene Zeugen und andere Beweismittel
2. Rügefunktion
Der Pflichtverstoß muss so klar beanstandet werden, dass Ihre Missbilligung deutlich wird. Dazu sollte die andere Partei aufgefordert werden, ihr Fehlverhalten künftig abzustellen und ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß nachzukommen.
3. Warnfunktion
Hier sollte deutlich gemacht werden, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung drohen. Dabei sollte die letzte Abmahnung besonders eindringlich und „scharf" formuliert werden.
4. Dokumentationsfunktion
Hier nimmt der Arbeitgeber die Abmahnung zur Personalakte des Arbeitnehmers und dokumentiert dadurch dessen Fehlverhalten. Zugleich wird belegt, ob auch eine abmahnungsberechtigte Person die Sanktion erteilt hat. Abmahnungsberechtigt sind
- Arbeitgeber,
- alle auf Grund der Position kündigungsberechtigte Mitarbeiter, wie etwa Prokuristen oder Vorgesetzte,
- alle Mitarbeiter, die nach Ort, Zeit sowie Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen Anweisungen geben dürfen, wie etwa Fach- oder Disziplinarvorgesetzte
- der dazu bevollmächtigte Rechtsanwalt
So wird die Abmahnung rechtssicher zugestellt
Für den Zugang der Abmahnung ist der Abmahnende beweispflichtig. Kann dieser Nachweis nicht erfolgen, besteht die Gefahr, dass der Abmahnende allein deswegen einen Prozess vor dem Arbeitsgericht verliert.
Daher sollten Arbeitgeber das Abmahnungsschreiben
- ihrem Mitarbeiter im Betrieb in Anwesenheit von Zeugen übergeben und sich den Empfang quittieren lassen oder
- durch einen Boten überbringen lassen, wobei es ausreicht, wenn der Bote das Abmahnungsschreiben zu den üblichen Postzustellungszeiten in den Hausbriefkasten des Mitarbeiters einwirft
Bestreitet der Arbeitnehmer später den Erhalt der Abmahnung, können die Zeugen bzw. der Bote die Zustellung bezeugen. Alle anderen Zustellungsarten sind für Arbeitgeber zu teuer oder unsicher.
Umgekehrt sollten Arbeitnehmer ihre Abmahnung per Einschreiben/Rückschein oder Boten zustellen lassen.
Sammelabmahnungen: Was hier zu beachten ist
Wird ein Arbeitnehmer wegen mehrerer Fehlverhalten in einem einzigen Schreiben entsprechend mehrfach abgemahnt (Sammelabmahnung), hat das folgende Konsequenz: Ist nur eine einzige Abmahnung unwirksam, muss das gesamte Schreiben aus der Personalakte des Mitarbeiters entfernt werden, auch wenn die anderen Pflichtverstöße eine Abmahnung gerechtfertigt hätten.
Praxis-Tipp
Arbeitgeber sollten daher jedes Fehlverhalten gesondert abmahnen. Ist eine Abmahnung unwirksam, bleiben die anderen Abmahnungen in diesem Fall wirksam. Demgegenüber sollten Arbeitnehmer bei Sammelabmahnungen prüfen, ob sie nicht zumindest einen vorgeworfenen Pflichtverstoß widerlegen können.
Wie sich Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung wehren können
Folgende Möglichkeiten stehen dem Arbeitnehmer zu:
- Abgabe einer Gegendarstellung, die der Arbeitgeber zur Personalakte nehmen muss, § 83 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
- Falls ein Betriebsrat existiert: Beschwerde bei den zuständigen Stellen des Betriebs, also dem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat, § 84 BetrVG
- Klage auf Rücknahme der Abmahnung und Beseitigung aus der Personalakte beim zuständigen Arbeitsgericht
Expertenrat
Unternimmt der Arbeitnehmer nichts gegen die Abmahnung und wird er später wegen eines gleichgelagerten Fehlverhaltens gekündigt, kann er Kündigungsschutzklage erheben und in diesem Prozess immer noch die Wirksamkeit der Abmahnung überprüfen lassen. Hält das Arbeitsgericht die Abmahnung für unwirksam, kann der Arbeitgeber den Prozess deswegen verlieren, weil aufgrund einer fehlenden Abmahnung die Kündigung unverhältnismäßig ist.
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