Betriebsbedingte Kündigung: Kündigungsschutzgesetz verlangt Sozialauswahl
Betriebsbedingte Kündigung: Kündigungsschutzgesetz enthält Kriterien für Sozialauswahl
An eine betriebsbedingte Kündigung knüpfen sich immer zwei wesentliche Fragen: Wie hoch ist die Abfindung und hat der Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erforderliche Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt. Denn wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- das Lebensalter,
- die Unterhaltspflichten und
- die Schwerbehinderung
des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt und somit unwirksam.
Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz: Alter vor Kinder
In der betrieblichen Praxis kommt es häufig vor, dass sich der Arbeitgeber im Zuge der Sozialauswahl zwischen zwei vergleichbaren Mitarbeitern aufgrund der sozialen Gesichtspunkte entscheiden muss, wem gegenüber er die betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat in dieser Frage klar Stellung bezogen, frei nach dem Motto: Lebensalter vor Kinderzahl. Diese Entscheidung ist deshalb so spannend, weil bisher der ungeschriebene Grundsatz galt, dass Kinder und die damit einhergehende Unterhaltspflicht vor Kündigung schützen. Die Kölner Richter schlagen jedoch einen anderen Weg ein. Für sie gilt: Wer kaum noch Chancen am Arbeitsmarkt hat, dem darf nicht gekündigt werden.
Gericht erklärt betriebsbedingte Kündigung des älteren Arbeitnehmers für unwirksam
Es ging um zwei etwa gleich lang beschäftigte verheiratete Arbeitnehmer in Führungspositionen. Der eine war 35 Jahre alt und hatte zwei Kinder, der andere war 53 Jahre alt und war kinderlos. Der Arbeitgeber hatte dem älteren Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt. Dieser vertrat die Ansicht, dass er zwar praktisch am Ende seines Berufslebens angekommen sei, nicht aber in der Nähe des Rentenalters. Das Lebensalter müsse daher deutlich stärker gewichtet werden, da der Kollege bereits in jungen Jahren eine Führungsposition inne habe und damit auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Das Gericht erklärte die Kündigung des älteren Arbeitnehmers für unwirksam, weil der jüngere Arbeitnehmer im Gegensatz zum älteren viel bessere Chancen habe, zeitnah einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Unterhaltpflichten für die Kinder gar nicht beeinträchtigt gewesen wären (LAG Köln, Urteil vom 18.02.2011, Az.: 4 Sa 1122/10).
Höhe der Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung orientiert sich am Kündigungsschutzgesetz
Unterlässt es ein Arbeitnehmer, innerhalb der Drei-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gegen die betriebsbedingte Kündigung zu klagen, so hat er mit Ablauf der Kündigungsfrist einen Anspruch auf eine Abfindung nach § 1a KSchG. Die Höhe der Abfindung beträgt einen halben Bruttomonatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, § 1a Abs. 2 KSchG:
Wichtiger Hinweis
Der Anspruch auf Abfindung setzt voraus, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen hat, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gründet und er Arbeitnehmer nach Ablauf der Klagefrist die Zahlung einer Abfindung beanspruchen kann.
Keine Hierarchie bei der Gewichtung der Kriterien
§ 1 Abs. 3 KSchG besagt lediglich, dass der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung die betroffenen Mitarbeiter unter Berücksichtigung der dort genannten Kriterien (siehe oben) auswählen muss. Wie diese Kriterien untereinander zu gewichten sind, ist in der Rechtsprechung weitgehend ungeklärt.
Leistungsträger sind außen vor
Beachten Sie, dass in die Sozialauswahl Mitarbeiter nicht einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Gewährleistung einer ausgewogenen Personalstruktur im Unternehmen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, § 1 Abs. 3 Satz 3 BetrVG.
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