Vorsicht - Geschäftsführer haftet für Arbeitgeberbeiträge nach Insolvenzreife
Eine Insolvenz ist immer auch mit Haftungsrisiken für den Geschäftsführer verbunden. Er ist gesetzlich verpflichtet, sämtliche Zahlungen zu stoppen, um die Masse nicht zu schmälern. Führt er nach Eintritt der Insolvenzreife Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung ab, so muss er diese dem Insolvenzverwalter erstatten. Strafrechtliche Konsequenzen hat er nicht zu befürchten. Entsprechende Folgen drohen dem Geschäftsführer nur, wenn er Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung vorenthält.
Der Fall
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH, über deren Vermögen am 30.11.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin, die seit Ende 2003 durchgehend überschuldet war.
Zwischen Juni und August 2005 veräußerte der Geschäftsführer Gegenstände aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Schuldnerin für insgesamt 34.872,96 €. Aus den Verkaufserlösen zahlte er 27.935,87 € an verschiedene Gläubiger, davon 16.819,82 € an Sozialversicherungsträger. Der Insolvenzberwalter ist der Auffassung, mit dem restlichen Verkaufserlös von 6.937,09 € seien Gläubiger der Gesellschaft befriedigt worden.
Entsprechend verklagte er den Geschäftsführer auf Erstattung der Zahlungen in Höhe von 34.872,96 €. Das Landgericht (LG) hat ihm davon 27.935,87 € zugesprochen.
Das Oberlandesgericht (OLG) hat den Geschäftsführer dagegen unter Zurückweisung einer Anschlussberufung insoweit immerhin noch zur Zahlung von 11.116,05 € verurteilt. Gegen die Teilabweisung richtet sich die Revision des Insolvenzverwalters, mit der er den abgewiesenen Anspruch (23.756,91 €) weiterverfolgt.
Das sagt das Gericht
Die Bundesrichter halten fest, dass die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nach Insolvenzreife im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar seien. § 266 a Abs. 1 StGB stellt nämlich nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge, nicht aber das der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe.
Für die Vereinbarkeit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns spreche auch keine tatsächliche Vermutung. Nach § 64 S. 2 GmbHG wird bereits vermutet, dass der Geschäftsführer Zahlungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geleistet hat.
Infolgedessen gibt es keinen Raum für eine gegenteilige tatsächliche Vermutung. Auch für eine Vermutung, dass Zahlungen an Sozialversicherungsträger auf Arbeitnehmerbeiträge geleistet werden, besteht keine Grundlage.
Hinsichtlich der Klage i.H.v. 6.937 € musste der Kläger als Insolvenzverwalter gemäß § 64 S. 1 GmbHG nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Beklagte Zahlungen nach Insolvenzreife veranlasst hat. Diese Anforderungen hat der klagende Insolvenzverwalter erfüllt. Er trug vor, dass der Geschäftsführer der GmbH nach Feststellung der Überschuldung aus den Verkaufserlösen für das Anlage- und Umlaufvermögen 6.937 € an Gläubiger gezahlt hatte, was er im Ausgangsfall auch nicht bestritten hat (BGH, Urteil vom 08.06.2009, Az.: II ZR 147/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar, weil einem Geschäftsführer mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht zugemutet werden kann, fällige Leistungen an die Sozialkasse nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr liefe, strafrechtlich verfolgt zu werden.
Dieser Gefahr setzt sich der Geschäftsführer allerdings nicht aus, wenn er Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht zahlt.
Tilgung verboten!
Nach Insolvenzreife ist dem Geschäftsführer die Tilgung fälliger Verbindlichkeiten grundsätzlich verboten, um ansonsten Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern. Nur ausnahmsweise ist eine die Masse schmälernde Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Ausnahme ist jeweils der Geschäftsführer.
Wichtiger Hinweis
Die Anforderungen an Geschäftsführer und Vorstände juristischer Personen sind in Krisenzeiten außerordentlich hoch. Der Geschäftsführer, der an sich „lediglich“ Organ der Gesellschaft ist, haftet gerade in Fällen der Insolvenzverschleppung und auch der Masseschmälerung mit seinem persönlichen Vermögen.
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