Versteckte Kosten: EuGH stoppt Abzocke durch „Sie haben gewonnen“-Werbung
Versteckte Kosten: EuGH schiebt „Sie haben gewonnen“-Werbung einen Riegel vor
Wohl fast jeder Haushalt kennt die Postkarten und Briefe, die mit einem „Herzlichen Glückwunsch. Sie haben gewonnen!“ die frohe Botschaft vom Gewinn einer Traumreise, eines Autos oder eines Geldpreises verkünden. Vom großen Glück trennt den Empfänger zumeist nur ein kleiner Schritt: der Anruf bei einer Hotline oder das Absenden einer SMS. Doch bevor der Gewinner erfährt, welchen Preis er gewonnen hat, muss er zunächst selbst eine nicht unerhebliche Summe investieren.
Solche aggressiven Praktiken, mit denen Unternehmen bei Verbrauchern den falschen Eindruck erwecken, sie hätten bereits einen Preis gewonnen, obwohl für dessen Entgegennahme die Zahlung eines zumeist mittleren bis höheren Geldbetrages erforderlich ist, sind nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nun verboten. Das Verbot gilt laut Richterspruch auch dann, wenn die dem Verbraucher auferlegten Kosten im Verhältnis zum Wert des Preises geringfügig sind oder dem Gewerbetreibenden keinerlei Vorteil bringen.
Der Fall
In dem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zugrundeliegenden Fall kam es zum Rechtsstreit zwischen fünf auf den Versand von Werbung spezialisierten britischen Unternehmen und der britischen Wettbewerbsbehörde Office of Fair Trading (OFT). Das OFT ordnete den Unternehmen gegenüber an, ihre Praktiken einzustellen, mit denen sie Verbraucher durch individuelle Briefe, Rubbelkarten und andere Werbebeilagen, die Zeitungen und Zeitschriften beigefügt wurden, darüber informierten, einen Preis gewonnen zu haben, der von beträchtlichem oder auch nur symbolischem Wert sein konnte. Den Verbrauchern standen diverse Möglichkeiten zur Wahl, eine Gewinnnummer zu erhalten und herauszufinden, um was für einen Gewinn es sich überhaupt handelt. Zur Wahl standen der Anruf einer Mehrwertnummer, das Versenden einer Mehrwert-SMS oder der normale Postweg. Die Verbraucher wurden zwar über die Kosten pro Minute/pro SMS und die maximale Dauer des Anrufs informiert, erfuhren aber nicht, dass die Werbefirma einen bestimmten Betrag von den Anrufkosten erhält.
Bei mehreren Werbesendungen waren als Preis Mittelmeerkreuzfahrten ausgelobt. Um diesen Preis zu erhalten, mussten die Verbraucher u. a. die Versicherung, einen Zuschlag für eine Einbett- oder Zweibettkabine, Verpflegungskosten sowie Hafengebühren bezahlen. Dadurch beliefen sich die Kosten für die Teilnahme an einer solchen Kreuzfahrt auf 399 Britische Pfund (ca. 490 €).
Die Werbefirmen klagten gegen die Entscheidung ihrer Wettbewerbsbehörde. Ihnen geht es nach eigenen Aussagen um aktuelle Datenbestände der Teilnehmer, die durch Werbung mit der Ausschreibung von Preisen angesprochen werden können. Diese Daten könnten dazu benutzt werden, den Verbrauchern andere einschlägige Produkte anzubieten oder sie könnten an andere Unternehmen veräußert werden.
Das sagt das Gericht
Der EuGH hat entschieden, dass das Unionsrecht (Richtlinie 2005/29/EG) aggressive Praktiken verbiete, mit denen dem Verbraucher der Eindruck vermittelt werde, er habe bereits einen Preis gewonnen, obwohl er zunächst einen Betrag zahlen und Kosten übernehmen muss, um Informationen über die Natur des Preises zu erhalten bzw. um Handlungen für seine Inanspruchnahme vorzunehmen. Derartige Praktiken seien selbst dann verboten, wenn die dem Verbraucher auferlegten Kosten im Verhältnis zum Wert des Preises geringfügig seien (z. B. die Kosten einer Briefmarke) oder dem Unternehmen keinerlei Vorteil brächten. Im Übrigen seien solche aggressiven Praktiken auch dann verboten, wenn dem Verbraucher für die Inanspruchnahme des Preises verschiedene Vorgehensweisen angeboten würden, selbst wenn eine von ihnen gratis sei.
Es sei Sache der nationalen Gerichte, die Informationen, die den Verbrauchern, auf die diese Praktiken abzielten, mitgeteilt würden, unter Berücksichtigung ihrer Klarheit und Verständlichkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 18.10.2012, Az.: C-428/11).
Europäischer Verbraucherschutz: So schützt die EU ihre Verbraucher
Das Unionsrecht schützt mit der Richtlinie RL 2005/29/EG die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, indem es unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern verbietet. Danach ist es den Unternehmen insbesondere verboten, den fälschlichen Eindruck zu erwecken, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme des Preises oder eines sonstigen Vorteils vorzunehmen, in Wirklichkeit von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird.
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