Gewerbesteuer verfassungswidrig? Finanzgericht ruft Bundesverfassungsgericht an
Mieten und Zinsen werden bei der Gewerbesteuer hinzugerechnet
Das Finanzgericht (FG) Hamburg hält die Gewerbesteuer für verfassungswidrig, die Hinzurechnung von Zinsen und Mieten sei nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar. Das Gericht hat deshalb das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angerufen. Im Ausgangsfall pachtete die spätere Klägerin die für ihren Tankstellenbetrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter. Die Pachtzinsen wurden im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben berücksichtigt und minderten den zu versteuernden Gewinn. Anders ist dies jedoch bei der Gewerbesteuer, wo Beträge dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden, um die Gewerbesteuer zu berechnen. Die Frau erhob deshalb Klage.
Gesetz verstößt gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Das FG teilt ihre Bedenken. Es hält die Vorschriften über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1GG) für verfassungswidrig. Im Bereich des Steuerrechts fordere der allgemeine Gleichheitssatz eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, die nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) zu bestimmen sei. Erwirtschafte der Gewerbetreibende mit seinem Betrieb einen Ertrag und werde dieser besteuert, ohne Aufwendungen – wie etwa im Streitfall die Pachtzinsen – zu berücksichtigen, sei das sogenannte Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Das Gericht führt in seinem Beschluss aus, dass seine Verletzung zwar gerechtfertigt sein könne oder auch eine Besteuerung der bloßen Soll-Leistungsfähigkeit bzw. des Eigentumsbestandes möglich sei. Voraussetzung seien jedoch Rechtfertigungsgründe, die dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip mindestens gleichrangig seien. Die bisher angenommenen Rechtfertigungsgründe (z.B. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, Äquivalenzprinzip, Gleichstellung des Fremdkapitaleinsatzes mit dem Eigenkapitaleinsatz) seien aber unzureichend. Gleiches gelte für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen. Die 2008 in Kraft getretene Regelung, nach der die Gewerbesteuer selbst keine bei der Gewinnermittlung abziehbare Betriebsausgabe mehr ist, sei allerdings trotz verfassungsrechtlicher Zweifel anwendbar (FG Hamburg, Beschluss vom 29.02.2012; Az.: 1 K 138/10).
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