Streit um Zugang – Nachtbriefkasten beim Gericht hat immer Recht
Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat jetzt eine Entscheidung veröffentlicht, nachdem Zweifel an der Entnahme aus dem Nachtbriefkasten nur bei vollem Gegenbeweis zulässig sind. Im Ausgangsfall ging es um die Frage nach dem Einwurfzeitpunkt eines fristwahrenden Schriftsatzes. Beim FG können außerhalb der gerichtlichen Öffnungszeiten Briefe über einen Nachtbriefkasten eingereicht werden. Dieser funktioniert in der Weise, dass um 24.00 Uhr eine Klappe in den Briefkasten eingelassen wird, so dass die bis 24.00 Uhr eingeworfenen Sendungen unterhalb der Klappe liegen, während die Sendungen, die nach 24.00 Uhr eingeliefert werden, oberhalb der Klappe liegen. Eine von einem Prozessvertreter eingeworfene Klageschrift trug folgenden Eingangsstempel: „Entnommen aus dem Gerichtsbriefkasten am 7. Oktober 2010 bei Dienstbeginn (in den Kasten gelangt nach 24 Uhr des vorhergegangenen Werktags).“ Der Rechtsvertreter ließ sich unter Beweisantritt dahin ein, dass er die Klageschrift am Abend des 6. Oktobers 2010 gegen 22.00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen habe.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Der Eingangsstempel eines Gerichts stelle eine öffentliche Urkunde dar. Ein formell ordnungsgemäßer Eingangsstempel einer Behörde erbringe deshalb grundsätzlich den vollen Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schriftstückes. Der nach der ZPO mögliche Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordere den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellung genügten nicht, vielmehr müsse zur Überzeugung des Gerichts jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein. Das Gericht müsse mithin davon überzeugt sein, dass das vom Eingangsstempel bewiesene Eingangsdatum falsch und das Schreiben fristgerecht eingegangen sei. Bleibe die Sache insoweit unklar bzw. sei eine weitere Sachaufklärung nicht möglich, treffe nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) den Kläger das Risiko der fehlenden Aufklärung (FG Hamburg, Urteil vom 08.12.2010; Az.: 2 K 194/10).
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