BGH regelt Grundsätze der Strafzumessung bei Steuerhinterziehung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2008 ein wichtiges Grundsatzurteil zum Strafmaß bei Steuerhinterziehung gesprochen. Die Richter betonen, dass die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsgrund ist. Zugleich soll sich die Strafe allerdings nicht wie ein Tarif an der Hinterziehungssumme orientieren.
Der Fall aus der Praxis
Das Landgericht Landshut hatte den Angeklagten, der ein Bauunternehmen als Subunternehmer betrieb, unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Beitragshinterziehung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten ohne Bewährung verurteilt. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der Angeklagte seine Arbeitnehmer "schwarz" beschäftigte und demzufolge weder Lohnsteuern noch Sozialabgaben abführte. Er gab auch keine Umsatzsteuererklärungen ab. Zudem unterstützte er die Umsatzsteuerhinterziehung seiner Auftraggeber durch die Beschaffung von Scheinrechnungen, damit diese die an den Angeklagten geleisteten Zahlungen als Betriebsausgaben ansetzen und einen Vorsteuerabzug geltend machen konnten. Der dadurch bewirkte Steuerschaden und die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge betrugen jeweils insgesamt fast 1 Million €. Dagegen hatte der Angeklagte Revision eingelegt und insbesondere die Strafzumessung gerügt.
Das sagt der Richter
Der BGH verwarf die Revision. Bei einer Steuerhinterziehung sei die Höhe des Hinterziehungsbetrags ein Strafzumessungsumstand von besonderem Gewicht. Der Steuerschaden müsse daher auch maßgeblich die Höhe der Strafe bestimmen. Der gesetzlichen Vorgabe des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO komme dabei indizielle Bedeutung zu, wonach bei einer Hinterziehung in "großem Ausmaß" in der Regel nur eine Freiheitsstrafe, und zwar von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, angedroht ist. Die Richter führten aus, dass ein großes Ausmaß – wie bereits zum gleichen Merkmal bei Betrug entschieden – dann vorliege, wenn der Steuerschaden über 50.000 € beträgt. Das bedeutet, dass jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein wird. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe komme eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Bei der letztgenannten Fallgestaltung (Millionenbetrag) sei auch eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet, da hier nur eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verhängt werden kann. Die Berechnung der Höhe der Beitragshinterziehung nach § 266a StGB bei Schwarzarbeit richtet sich nach der gesetzlichen Vorgabe in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt die Zahlung des Schwarzlohns als Nettolohnabrede, mit der Folge, dass das ausbezahlte Arbeitsentgelt zu einem Bruttolohn hochzurechnen ist. Das führt zu der Konsequenz, dass der Hinterziehungsbetrag höher ausfällt als bei Annahme einer Bruttolohnabrede (BGH, Urteil vom 02.12.2008; Az.: 1 StR 416/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Der BGH legt in der Grundsatzentscheidung die betragsmäßige Grenze für das Tatbestandsmerkmal einer Steuerverkürzung "in großem Ausmaß" (§ 370 Abs. 3 Nr. 1 AO) fest. Ein "großes Ausmaß" sei grundsätzlich bei einer Hinterziehung von mehr als 50.000 EUR zu unterstellen. Bei einer Steuerhinterziehung in der genannten Höhe muss der Täter regelmäßig von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung ausgehen. Beschränkt sich die Tat darauf, dass die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird, ist eine Grenze von 100.000 EUR anzusetzen.
- Ab einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 EUR wird regelmäßig eine Freiheitsstrafe (ggf. auf Bewährung) ausgesprochen
- Ab einem Hinterziehungsbetrag von 1.000.000 EUR ist die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kaum möglich
- Ab einem Hinterziehungsbetrag von 1.000.000 EUR ist ein bloßes Strafbefehlsverfahren regelmäßig ungeeignet, es wird zu einer Hauptverhandlung kommen.
Tipp
Beachten Sie, dass der BGH Ausnahmen von diesen Grundsätzen ausdrücklich zugelassen hat.
Wichtig: Milderungsgründe für Steuerhinterzieher
Der BGH erkennt spezielle Milderungsgründe im Zusammenhang mit Steuerstraftaten an. Diese orientieren sich an den Grundsätzen der Strafzumessung und können zu einer Entkräftung der indiziellen Wirkung des § 370 AO führen – mit der Folge, dass die verhängten Strafen niedriger ausfallen. Derartige Konstellationen können diesbezüglich Bedeutung haben:
- Der Täter hatte sich anlässlich der Begehung im Wesentlichen steuerehrlich verhalten, die Tat betrifft nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlichen Pflichten (Verhältnis verkürzter zu entrichteten Steuern)
- Der Täter hat sich vor der Tat über einen ausgedehnten Zeitraum steuerehrlich verhalten
- Die sogenannte Lebensleistung des Täters
- Das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat (bspw. frühzeitiges Geständnis und Bemühung um zeitnahe Nachzahlung verkürzter Steuern)
- Unverzügliche Nachzahlung verkürzter Steuern
Strafverschärfung ist auch möglich
Im Gegenzug akzeptieren die Bundesrichter allerdings auch Gründe, die zu einer Erhöhung des Strafmaßes führen können. Dabei handelt es sich in erster Linie um folgende Fallbeispiele
- Der Täter bezweckt vor allem die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang (bspw. durch ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen in erheblichem Umfang, gewerbsmäßige Steuerhinterziehung)
- Der Täter errichtet zur Begehung ein aufwändigen Täuschungssystem, dass der systematischen Verschleierung von steuerlichen Sachverhalten dient (bspw. Erstellung bzw. Verwendung unrichtiger oder gefälschter Belege, Aufbau spezifischer Unternehmensstrukturen, Abschluss systematisch Scheingeschäfte oder Scheinhandlungen).
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