Schluss mit Wirrwarr: Deutsche Bahn Fernverkehr AG muss für Sturz auf vereistem Bahnsteig haften
Geschädigter Fahrgast wird hin und her geschickt
Der Bundesgerichtshof hat gestern ein Grundsatzurteil bezüglich der Schadensersatzansprüche eines Fahrgastes wegen eines Sturzes aufgrund eines vereisten Bahnsteigs gesprochen. Die Beklagte zu 1, die DB Fernverkehr AG, erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Fernverkehr. Der Kläger erwarb bei ihr einen Fahrausweis für eine Fahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden. Auf dem Weg zum Haltepunkt des ICE stürzte er auf dem Bahnsteig des Bahnhofs. Eigentümerin des Bahnhofs ist die DB Station & Service AG. Diese hatte die Reinigung und den Winterdienst der Beklagten zu 2, der DB Services GmbH, übertragen. Die Beklagte zu 2 hat behauptet, sie habe ihrerseits den Winterdienst auf den Streithelfer (Subunternehmen) übertragen. Wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen nahm der Kläger zunächst die DB Station & Service AG in Anspruch. Das Landgericht wies diese Klage mit der Begründung ab, die DB Station & Service AG habe die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Beklagte zu 2. übertragen. Der Kläger begehrt nunmehr von den Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 durch Teilurteil abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Teilurteil und das Verfahren aufgehoben, die Sache an das Landgericht zurückverwiesen und die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, das Teilurteil des Landgerichts sei unzulässig, da auch eine Haftung der Beklagten zu 1 in Betracht komme. Die DB Fernverkehr AG sei gegenüber dem Fahrgast vertraglich verpflichtet, für einen verkehrssicheren Zustand des benutzten Bahnsteigs zu sorgen.
Eisenbahnverkehrsunternehmen muss Verschulden des Infrastrukturunternehmens vertreten
Der BGH hat dies gestern bestätigt. Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast grundsätzlich keinen Schaden erleidet. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen Ein- und Aussteigen, sondern auch den Zu- und Abgang. Trotz der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, Bahnanlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, bereitzustellen und verkehrssicher zu halten. Dies ist dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das diese Bahnanlagen aufgrund eines Stationsnutzungsvertrags mit dem Infrastrukturunternehmen (hier DB Station & Service AG) nutzt, im Zusammenwirken mit diesem möglich. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens – und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte deren Verschulden – in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (BGH, Urteil vom 17.01.2012; Az.: X ZR 59/11).
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