Gesetzesänderung im Zivilprozess: Mehr Rechtsschutz in der zweiten Instanz
Zivilgerichte müssen in zweiter Instanz ab 27.10.2011 häufiger mündlich verhandeln
Gerade in zweiter Instanz wurden bislang viele Fälle im schriftlichen Verfahren entschieden. Das „Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung“ stellt jetzt sicher, dass Richter über alle wichtigen Fälle mit den Beteiligten persönlich reden müssen. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist nur noch dann zulässig, wenn die Berufung offensichtlich aussichtslos ist. Ab 27.10.2011 gibt es auch ein neues Rechtsmittel. Bisher wurde in der zweiten Instanz häufig durch unanfechtbaren Beschluss entschieden. Dann war der Prozess beendet, ohne dass es weitere Rechtsmittel gab, selbst wenn es um große Summen ging. Damit ist jetzt Schluss. Die Rechtsprechung der Berufungsgerichte steht für Streitwerte über 20.000 € jetzt immer unter höchstrichterlicher Kontrolle. Berufungsgerichte waren bislang nach § 522 Absatz 2 ZPO verpflichtet, die Berufung in klaren Fällen ohne mündliche Verhandlung und ohne weitere Anfechtungsmöglichkeiten zurückweisen.
Die Änderungen im Einzelnen:
- Auch im Berufungsverfahren muss jetzt immer mündlich verhandelt werden, wenn eine mündliche Erörterung des Rechtsstreits geboten ist – zum Beispiel wegen der existenziellen Bedeutung des Rechtsstreits für eine Partei -, selbst wenn die Sache aussichtslos erscheint und keine Grundsatzbedeutung hat.
- Die Schwelle für eine Prozessbeendigung durch unanfechtbaren Beschluss wird heraufgesetzt. Künftig kann dies nur noch geschehen, wenn die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, während bislang Offensichtlichkeit nicht gefordert wurde.
- Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde wird eingeführt. Selbst wenn eine Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen wird, kann dagegen künftig ab einer Beschwer von 20.000 € Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Damit werden Zurückweisungsbeschlüsse unter den gleichen Voraussetzungen wie heute schon Berufungsurteile anfechtbar.
Zugleich werden regionale Unterschiede im Rechtsschutz beseitigt. Bisher wurde von Gericht zu Gericht sehr unterschiedlich von der Vorschrift Gebrauch gemacht, Berufungen durch unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen. Während in bestimmten Gerichtsbezirken mehr als jede vierte Berufung durch unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen wurde, war es in anderen Regionen nicht einmal jede zehnte. Es gibt künftig die gleichen Rechtsmittel, egal ob die Entscheidung durch Urteil oder Beschluss ergeht.
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