Deutsche Gerichte sind nicht für Internetveröffentlichung ohne Inlandsbezug zuständig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aktuell die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen gegen Internetveröffentlichungen ohne deutlichen Inlandsbezug abgelehnt. Geklagt hatte ein russischer Geschäftsmann, der neben einer Wohnung in Moskau auch einen Wohnsitz in Deutschland besitzt. Die Beklagte, die zusammen mit dem Kläger die Schule in Moskau besucht hat, lebt inzwischen in den USA. Die Parteien trafen bei einem Klassentreffen mit weiteren in Russland verbliebenen Mitschülern in der Wohnung des Klägers in Moskau zusammen. Danach veröffentlichte die Beklagte von den USA aus einen in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefassten Bericht über das sich in Deutschland befindliche Internetportal www.womanineurope.com. In diesem Bericht äußert sie sich u. a. über die Lebensumstände und das äußere Erscheinungsbild des Klägers. Der russische Kläger begehrt die Unterlassung mehrerer Äußerungen, Geldentschädigung und Auskunft über den Zeitraum und die Internetadressen, über welche die zu unterlassenden Äußerungen abrufbar waren. Beide Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen.
Der BGH wies die Revision des Klägers zurück. Deutsche Gerichte seien zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinn aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse der Beklagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits - nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann. Aus dem Inhalt der angegriffenen Äußerung lässt sich ein solcher deutlicher Inlandsbezug nicht herleiten. Die in russischer Sprache erfolgte Reisebeschreibung schildert ein privates Zusammentreffen der Parteien in Russland. Die beschriebenen Umstände aus dem privaten Bereich des Klägers sind in erster Linie für die an dem Treffen Beteiligten von Interesse. Diese haben, bis auf den Kläger, ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland. Allein dadurch, dass der Kläger an seinem Wohnsitz im Inland den Bericht abgerufen hat, wird noch nicht ein deutlicher Inlandsbezug hergestellt, selbst wenn vereinzelt Geschäftspartner Kenntnis von den angegriffenen Äußerungen erhalten haben sollten. Aus dem Standort des Servers in Deutschland lässt sich eine die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründende Handlung der Beklagten ebenfalls nicht herleiten (BGH, Urteil vom 29.03.2011; Az.: VI ZR 111/10).
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