Sexueller Missbrauch – Opfer können auch nach Jahrzehnten Schmerzensgeld erhalten
Opfer von sexuellem Missbrauch können laut einem gestern veröffentlichten Urteil des Landgerichts (LG) Osnabrück auch heute noch Ansprüche auf Schmerzensgeld erfolgreich geltend machen, obwohl die Taten bereits Jahrzehnte zurückliegen. Der heute 34-jährige Kläger macht ein Schmerzensgeld i. H. v. 10.000,- € gegen den 73-jährigen Beklagten geltend. Der Beklagte ist der Nachbar der klägerischen Großeltern gewesen - er hat den damals minderjährigen Kläger im Frühjahr 1988 und Anfang 1990 sexuell missbraucht.
Obwohl die zivilrechtliche Klage erst 2008 erhoben wurde, vertritt die Kammer die Rechtsansicht, dass der Schmerzensgeldanspruch noch nicht verjährt sei. Schadensersatzansprüche verjähren zwar 3 Jahre nach Kenntnis des Verletzten von dem Schaden. Bei minderjährigen Opfern, deren gesetzlichen Vertretern die Vorfälle nicht bekannt sind, beginnt die Frist für die Kenntnis frühestens mit Eintritt der Volljährigkeit des Opfers (so die bis 2002 geltende Rechtslage). Der Kläger habe aber durch ein medizinisches Sachverständigengutachten beweisen können, dass er aufgrund einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung direkt nach den Vorfällen (und damit auch bei Eintritt seiner Volljährigkeit) das Geschehen komplett verdrängt hatte. Erst als die Schwester dem Kläger im April 2005 berichtet hatte, dass auch sie von dem Beklagten sexuell missbraucht worden sei, habe er wieder Kenntnis von den Ereignissen erlangt. Die dreijährige, kenntnisabhängige Verjährung begann also erst 2005 zu laufen, so dass bei Erhebung der Klage in 2008 die Frist noch nicht abgelaufen war (LG Osnabrück, Urteil vom 29.12.2010; Az.: 12 O 2381/10).
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