Verdachtskündigung wegen Diebstahls - Betriebsrat muss über Interessenabwägung unterrichtet werden
Arbeitgeber spricht Verdachtskündigung wegen Diebstahls aus
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat jetzt entschieden, dass der Arbeitgeber vor einer Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts eines Diebstahls dem Betriebsrat nicht nur die von ihm festgestellten Fakten, sondern auch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und seine Interessenabwägung mitteilen muss. Eine seit 1999 beschäftigte Reinigungshilfe erhielt 2009 eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung. Danach wurde sie noch zweimal ermahnt. Die Beschäftigte hatte ihren Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen und während der Arbeitszeit ein privates Telefonat geführt, ohne dieses entsprechend zu vermerken. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig krank. Jemand sah sie in dieser Zeit im Betrieb, wie sie das Fundsachenregal durchsuchte und ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber von dort einen Tauchring mitnahm. Über dem Arm trug sie Kleidungsstücke. Der Arbeitgeber hegte daraufhin den Verdacht des Diebstahls und gab der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Geschehen zu äußern. Nach ihren Angaben hatte sie den verlorenen Tauchring ihres Sohnes gesucht und Kleidungsstücke aus ihrem Spind geholt. Der Arbeitgeber entschloss sich zur Kündigung und hörte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls an. Die Abmahnung und die Ermahnungen wurden während der Anhörung nicht erwähnt. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebstrat auch nicht mit, was ihn erwogen hatte, trotz der langen Betriebszugehörigkeit zu kündigen. Danach wurde, trotz geäußerter Bedenken des Betriebsrates, die fristlose und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt und bewertete die Kündigung als unverhältnismäßig.
Betriebsrat muss über Vorgeschichte und Interessenabwägung unterrichtet werden
Das LAG bestätigte im Ergebnis das Urteil, gab dafür aber eine andere Begründung an. Die Kündigung sei bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil dem Betriebsrat zu wenig mitgeteilt wurde. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat mehr als nur die konkreten Fakten mitteilen, aus denen sich der Verdacht eines Diebstahls ergebe. Der Arbeitgeber müsse den Betriebsrat in der Anhörung auch über vorgegangene Abmahnungen, Ermahnungen usw. informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er im Rahmen der Interessenabwägung vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2012; Az.: 2 Sa 305/11).
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