EuGH kippt tarifvertragliche Altersgrenze von 60 Jahren bei Piloten
Drei Piloten klagen gegen Zwangspensionierung
Ein Verbot für Piloten, über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus ihrer Tätigkeit nachzugehen, stellt nach gestriger Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine richtlinienwidrige Diskriminierung wegen des Alters dar. Ab diesem Alter kann zwar das Recht, dieser Tätigkeit nachzugehen, beschränkt werden; ein vollständiges Verbot geht aber über das zum Schutz der Flugsicherheit Notwendige hinaus. Der Entscheidung lag eine Klage dreier langjähriger Piloten zugrunde, die zuletzt als Flugkapitäne bei der Deutschen Lufthansa beschäftigt waren. Mit Vollendung des 60. Lebensjahres endeten ihre Arbeitsverträge nach dem Tarifvertrag automatisch. Da sie sich für Opfer einer nach der Richtlinie verbotenen Diskriminierung wegen des Alters hielten, klagten sie zunächst vor den deutschen Gerichten auf Feststellung, dass ihre Arbeitsverhältnisse mit der Deutschen Lufthansa nicht mit Vollendung des 60. Lebensjahres geendet hatten und auf Anordnung der Fortsetzung ihrer Arbeitsverträge. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) unterbreitet dem EuGH die Frage, ob ein Tarifvertrag, der für Verkehrspiloten eine Altersgrenze von 60 Jahren mit dem Ziel vorsieht, die Flugsicherheit zu gewährleisten, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Altersgrenze von 60 Jahren ist unverhältnismäßig
Der EuGH sagt hier Nein. Er weist zunächst darauf hin, dass von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge ebenso wie das nationale Recht der Mitgliedstaaten das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters beachten müssen, das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt und durch die Richtlinie für den Bereich von Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) konkretisiert worden ist. Die Richtlinie untersage jede Ungleichbehandlung wegen des Alters, die nicht ordnungsgemäß gerechtfertigt ist. Der Gerichtshof stellt zwar fest, dass die Beschränkung der Möglichkeit für die Piloten, im Alter von 60 Jahren ihren Beruf auszuüben, das Ziel verfolgt, die Sicherheit der Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete sowie die Sicherheit und Gesundheit der Piloten selbst zu gewährleisten – ein Ziel, mit dem eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann –, und dass diese Begrenzung tarifvertraglich vorgesehen werden konnte. Allerdings hebt er hervor, dass es nach der internationalen und der deutschen gesetzlichen Regelung nicht notwendig war, den Piloten die Ausübung ihres Berufs nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu verbieten, sondern dass es ausreichte, die Berufsausübung lediglich zu beschränken. Der Gerichtshof entscheidet daher, dass das tarifvertraglich vorgesehene Verbot, nach Erreichen dieses Alters ein Flugzeug zu führen, keine für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und der Gesundheit notwendige Maßnahmen ist.
Außerdem stellt der Gerichtshof fest, dass für die Ausübung des Pilotenberufs der Besitz besonderer körperlicher Fähigkeiten als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung angesehen werden kann und dass diese Fähigkeiten altersabhängig sind. Da diese Anforderung darauf abzielt, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten, verfolgt sie einen rechtmäßigen Zweck, mit dem eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann – allerdings nur unter sehr begrenzten Bedingungen. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die internationalen und die deutschen Stellen der Ansicht sind, dass Piloten bis zum Alter von 65 über die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten zum Führen eines Flugzeugs verfügen können. Demgegenüber haben die Sozialpartner von Lufthansa stattdessen die Altersgrenze, ab der Verkehrspiloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf 60 Jahre festgelegt. In Anbetracht dessen antwortet der Gerichtshof, dass die Altersgrenze von 60 Jahren eine im Hinblick auf die internationale und die deutsche Regelung, die diese Altersgrenze auf 65 Jahren festgesetzt haben, unverhältnismäßige Anforderung ist (EuGH, Urteil vom 13.09.2011; Az.: Rs. C-447/09).
- Kommentieren
- 3582 Aufrufe