BGH stärkt Rechte von Anlegern
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) müssen Anlageberater bei der Vermittlung geschlossener Fonds ungefragt darauf hinweisen, dass die Haftung des Anlegers durch Ausschüttungen wieder aufleben kann.
Der Fall aus der Praxis
Die Kläger hatten sich 1992 an einem Fonds mit einer Einlage von DM 100.000,00 beteiligt. Bis 1997 erhielten die Kläger Ausschüttungen. In der Folgezeit blieben die Fondsausschüttungen aus und die Kläger mussten sogar Nachzahlzungen leisten. Die Kläger machten daraufhin Schadenersatz geltend, weil sie nicht über das Risiko einer unternehmerischen Beteiligung aufgeklärt worden seien. Darüber hinaus seien sie im Rahmen der Beratung nicht über das Fehlen eines Zweitmarktes aufgeklärt worden. Das Landgericht (LG) München und das Oberlandesgericht (OLG) München hatten geurteilt, dass sämtliche Schadenersatzansprüche der Kläger verjährt seien. Die Kläger seien gehalten gewesen, nach Ausbleiben der Ausschüttungen und Zahlung der Nachforderungen den Prospekt zur Beteiligung zu lesen. Durch das Nichtlesen des Prospektes hätten sie grob fahrlässig gehandelt, sodass eine Verjährung anzunehmen war.
Das sagt der Richter
Der Bundesgerichtshof (BGH) war anderer Meinung. Zwar seien diejenigen Ansprüche verjährt, die sich auf eine mangelhafte Aufklärung über das unternehmerische Risiko stützen, weil die Kläger diesbezüglich spätestens durch die Nachzahlungen Kenntnis hatten. Nicht verjährt seien aber Schadenersatzansprüche, die sich aus der fehlenden Aufklärung hinsichtlich der Existenz eines Zweitmarktes für derartige Beteiligungen ergeben könnten. Es gebe keine Pflicht für Anleger, den Prospekt auf mögliche weitere Beratungsfehler hin zu untersuchen, wenn ein anderer Beratungsfehler offenkundig geworden sei (BGH, Urteil vom 22.07.2010, Az.: III ZR 203/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Erhalten Kapitalanleger Kenntnis von einer Vertragsverletzung seitens des Anlageberaters oder -vermittlers, so kann ihnen bezüglich weiterer Pflichtverletzungen keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn sie weiterhin auf ein Studium des Anlageprospekts verzichten. Das gilt auch dann, wenn sich dadurch das Vorliegen weiterer Pflichtverletzungen in den Beratungsgesprächen erschlossen hätte.
Praxis-Tipp
Die Entscheidung des BGH zeigt, wie schwierig die Beurteilung einer möglichen Verjährung ist. Anleger sollten Schadenersatzansprüche daher grundsätzlich frühzeitig prüfen lassen
Anlageprospekte – Mehr Schein als Sein
Anlageprospekte beschränken sich im Üblichen auf den notwendigen Inhalt und sind ansonsten mit reichlich Fachvokabular versehen, das die Kompetenz des Anlageinstituts unterstreichen soll. In erster Linie sollen die Hochglanzprospekte potenzielle Anleger in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen. Sie dienen nicht dem Zweck, nachträglich über Fehlinformationen durch den Anlageberater selbst zu recherchieren. Der Verzicht auf ein Durcharbeiten ist deshalb auch nicht grob fahrlässig.
Checkliste zum Download
Eine sichere und seriöse Kapitalanlage setzt voraus, dass Sie optimal vorbereitet in das Beratungsgespräch mit Ihrem Anlageberater gehen. Auf was Sie dabei achten sollten, erfahren Sie anhand unserer Checkliste Vorbereitung Anlagegespräch.
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Außerdem haben wir Ihnen in unserer Checkliste Anlageentscheidung die wesentlichen Gesichtspunkte zusammengefasst, die es im Vorfeld einer Anlageentscheidung zu berücksichtigen gilt.
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