Grobe Pflichtverletzung rechtfertigt Auflösung des Betriebsrats
So funktioniert die Auflösung des Betriebsrats
Der Gesetzgeber hat in § 23 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für den Fall einer groben Pflichtverletzung Sanktionsmöglichkeiten gegen den Betriebsrat als Gremium, die einzelnen Betriebsratsmitglieder und den Arbeitgeber vorgesehen.
Unter bestimmten Voraussetzungen droht gar dem gesamten Betriebsrat die Auflösung durch Beschluss des Arbeitsgerichts. Antragsberechtigt sind gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG
- ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer,
- der Arbeitgeber oder
- eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.
Liegt ein entsprechender Antrag vor und sind die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, so löst das Arbeitsgericht den Betriebsrat auf. Die Amtszeit des Gremiums gilt mit Rechtskraft des Beschlusses als beendet. Der Betrieb ist dann betriebsratslos. Das Arbeitsgericht setzt unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein.
Betriebsrat als Organ muss grobe Pflichtverletzung begehen
Die grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG muss vom Betriebsratsgremium begangen worden sein, d. h. die Arbeitnehmervertretung muss als Organ gehandelt haben. Diese bedeutet aber nicht, dass im Fall einer gesetzwidrigen Beschlussfassung dem Betriebsrat nur solche Entscheidungen und Maßnahmen zugerechnet werden können, die einstimmig getroffen wurden. Maßgeblich sind vielmehr Mehrheitsbeschlüsse nach § 33 BetrVG.
Wichtiger Hinweis
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt eine Pflichtverletzung des Betriebsrats als grob, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist und die weitere Amtsausübung des Betriebsrats unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls untragbar erscheint. Zu den gesetzlichen Pflichten gehören alle Amtspflichten, die dem Betriebsrat als Organ obliegen.
Als grobe Amtspflichtverletzung des Betriebsrats kommen grundsätzlich die gleichen Verstöße in Betracht, die zum Ausschluss eines Betriebsratsmitgliedes aus dem Gremium gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG führen können. Als grobe Pflichtverletzung gilt nach der Rechtsprechung z. B.:
- grobe Beleidigung des Arbeitgebers
- Nichteinberufung von verpflichtenden Betriebsversammlungen nach § 43 BetrVG (siehe unten)
- Nichtausübung gesetzlicher Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte
- Desinteresse an vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber im Sinne des § 2 BetrVG
- Nichtbestellung eines Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden
- Abschluss einer Betriebsvereinbarung über einen bereits tarifvertraglich geregelten Gegenstand
Auflösung des Betriebsrats wegen Untätigkeit
Führt der Betriebsrat über einen längeren Zeitraum keine Betriebsversammlungen durch, so ist dies ist als grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten grundsätzlich geeignet, einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu begründen.
Der Fall
Die Betreiberin eines Restaurants mit rund 25 Beschäftigten wollte den dreiköpfigen Betriebsrat ihres Betriebes auflösen. Sie warf dem Gremium vor, seit der Wahl keine Betriebsversammlung einberufen zu haben. Der Betriebsrat entgegnete, dass er seit seiner Gründung an der Ausübung seines Amtes gehindert worden sei. Betriebsratsmitglieder seien von der Arbeitgeberin durch Kündigungen, Abmahnungen oder Versetzungen drangsaliert worden, sodass die Betriebsratstätigkeit nur noch schwer zu realisieren gewesen sei. Betriebsversammlungen seien in der Vergangenheit geplant gewesen, aber aufgrund der grundsätzlichen Verweigerungshaltung der Arbeitgeberin nicht durchgeführt worden. Die Restaurantchefin zeigte sich von der Argumentation der Arbeitnehmervertretung unbeeindruckt und beantragte die Auflösung des Betriebsrats.
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Das Gericht gab dem Auflösungsantrag statt. Der Betriebsrat habe in grober Weise gegen seine Pflichten verstoßen. Im Zeitraum zwischen der Betriebsratswahl und dem Tag der Anhörung vor dem Arbeitsgericht hätte das Gremium neun Betriebsversammlungen durchführen müssen. Dieser Verstoß gegen die Pflicht aus § 43 Abs. 1 BetrVG sei auch als grob anzusehen. Es sei nicht ersichtlich, ob überhaupt Betriebsversammlungen geplant waren. Der Betriebsrat habe damit über einen langen Zeitraum mehrfach seine Pflichten verletzt, zumindest jedes Vierteljahr. Es seien auch keine betrieblichen Besonderheiten ersichtlich, dass der Betriebsrat von der Durchführung der Betriebsversammlungen habe absehen dürfen. Zwar sei grundsätzlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, ob ihn die Arbeitgeberin an der Durchführung gehindert habe. Dazu habe der Betriebsrat - abgesehen von der pauschalen Behauptung - nichts vorgetragen. Im Übrigen entschuldige ein mögliches Verhalten des Arbeitgebers den Betriebsrat auch nicht dahingehend, zumindest einmal eine Betriebsversammlung zu planen.
Aufgrund des Zeitraums und der Anzahl der nicht durchgeführten Betriebsversammlungen sei die Verletzung der Pflichten aus § 43 Abs. 1 BetrVG besonders schwerwiegend. Die damit einhergehende fortgesetzte Verletzung des Anspruchs der Belegschaft auf kontinuierliche Unterrichtung mache die weitere Amtsausübung des Betriebsratsgremiums nicht tragbar. Der Verstoß gegen § 43 Abs. 1 BetrVG betreffe nicht bloß einzelne Betriebsratsmitglieder, insbesondere seine Vorsitzende und deren Stellvertreter, sondern den Betriebsrat als Gremium. Insofern seien nicht bloß einzelne Mitglieder aus dem Betriebsrat (ArbG Hamburg, Beschluss vom 27.06.2012, Az.: 27 BV 8/12).
Das sagt das BetrVG
§ 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten
(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
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