Unzulässige Videoüberwachung: Arbeitnehmerin erstreitet Schadenersatz
Das Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist seit jeher ein heiß diskutiertes Thema, weil hier verfassungsrechtlich geschützte Grundrechtspositionen aufeinanderprallen.
Die Rechtsprechung stellt deshalb strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme. Die permanente Videoüberwachung einer Mitarbeiterin stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar und löst einen Schadenersatzanspruch aus.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin ist in einem Unternehmen als kaufmännische Angestellte tätig. Der Arbeitgeber hatte gegenüber der Eingangstür des Büros der Mitarbeiterin eine Videokamera installiert, die nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern auch auf den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin gerichtet war. Obwohl sich die Angestellte gegen das Anbringen der Videokamera ausgesprochen hatte, hielt der Arbeitgeber daran fest und überwachte die Mitarbeiterin über mehrere Monate mit der Kamera. Im Oktober 2008 erhob sie schließlich Klage auf Schadenersatz gegen ihren Arbeitgeber. Sie fühlte sich durch die Videoüberwachung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Arbeitgeber gab im Prozess zu Protokoll, dass die Kamera nicht ständig in Funktion gewesen und nur zur Sicherheit der Mitarbeiter angebracht worden sei, weil es in der Vergangenheit schon zu Übergriffen gekommen sei. Das zuständige Arbeitsgericht verurteilte ihn zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15.000 €. Der Arbeitgeber ging in Berufung.
Das sagt der Richter
Das Landesarbeitsgericht (LAG) bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz im Grundsatz, setzte die Entschädigungssumme jedoch auf 7.000 € herab. Die Videoüberwachung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin dar. Dem Arbeitgeber wäre als milderes Mittel auch eine Ausrichtung der Kamera nur auf den Eingangsbereich des Büros möglich gewesen. Es sei auch unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Funktion war. Allein die Unsicherheit darüber, ob die Kamera tatsächlich aufzeichnet oder nicht, habe dafür gesorgt, dass sich die Angestellte unter einem ständigen Anpassungs- und Überwachungsdruck befunden hat, den sie nicht hinnehmen musste, nachdem sie sich bereits früh gegen die Installation der Videokamera gewandt hatte. Im Streitfall handele es sich um eine schwerwiegende und hartnäckige Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die die Verurteilung zu einer Entschädigung in Höhe von 7.000 € rechtfertige. Die Zubilligung einer Geldentschädigung bei einer solchen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhe auf dem Gedanken, dass anderenfalls Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei der Entschädigung stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund (Hessisches LAG, Urteil vom 25.10.2010, Az.: 7 Sa 1586/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht greift in solchen Fällen auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurück. Danach ist ein Eingriff in ein Rechtsgut (Grundrecht) nur gerechtfertigt, wenn der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinn) ist. Es hat also stets eine Güterabwägung zu erfolgen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (in erster Linie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) der Mitarbeiter sowie dem schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers an seinem Eigentum (Videoüberwachung zum Schutz vor Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung) und an einem störungsfreien und reibungslosen Betriebsablauf.
Wichtiger Hinweis
Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung besagt, dass jeder grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, ob er personenbezogene Daten preisgibt und wenn ja, in welcher Form diese verwendet werden. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und wurde vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil als Grundrecht anerkannt. Personenbezogene Daten sind Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten Person.
Betriebsrat entscheidet mit
In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat existiert, kann der Arbeitgeber keine Alleingänge in Sachen Mitarbeiterüberwachung machen. Denn § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen. Mit anderen Worten kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats keine technische Überwachungsmaßnahme ergreifen. Übergeht der Arbeitgeber den Betriebsrat bei seiner Entscheidung, steht Letzterem ein gerichtlich einklagbarer Unterlassungsanspruch zu.
Praxistipp
Für den Fall, dass der Betriebsrat der Einführung und Anwendung einer technischen Überwachung zustimmt, sollten möglichst detaillierte Regelungen bezüglich der Art und Weise der Durchführung der Überwachungsmaßnahme in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. Dadurch werden Unklarheiten beseitigt und alle Beteiligten wissen, woran sie sind.
- Kommentieren
- 6130 Aufrufe