Satirischer Roman über Büroalltag ist kein Kündigungsgrund
Veröffentlicht ein Arbeitnehmer einen fiktiven satirischen Büro-Roman, so berechtigt dieser Umstand den Arbeitgeber nicht zur fristlosen Kündigung des Autors, wenn das Buch vom Grundrecht der Kunstfreiheit geschützt ist und durch seinen Inhalt keine Persönlichkeitsrechte von anderen Mitarbeitern verletzt werden.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer ist seit 1992 als Sachbearbeiter bei einem Küchenmöbelhersteller beschäftigt. 2010 veröffentlichte er unter seinem Namen ein Buch mit dem Titel "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht". Nach der Veröffentlichung des Büro-Romans kam es zu heftigen Diskussionen im Betrieb, die letztlich dazu führten, dass die Arbeitgeberin dem Beschäftigten, der zugleich Mitglied des Betriebsrats war, fristlos kündigte. Die Begründung des Arbeitgebers lautete, dass das Buch zu Diskussionen unter den Mitarbeitern geführt habe und im Falle einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ein „Aufstand“ einiger Kollegen zu befürchten sei. Der Hobby-Autor wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen seinen Rauswurf. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage stritten sich die Beteiligten darüber, ob das Buch in rechtserheblicher Art und Weise beleidigende, ehrverletzende, ausländerfeindliche und sexistische Äußerungen gegen die Beklagte und deren Belegschaft enthält oder gar strafrechtlich Relevantes in der Person des Klägers als Ich-Erzähler wiedergibt.
Das sagt der Richter
Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Eine wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor, weil bereits keine notwendige Vertragspflichtverletzung erkennbar sei. Insbesondere habe der Arbeitnehmer durch die Buchveröffentlichung keine Persönlichkeitsrechte verletzt – weder die anderer Mitarbeiter noch die der Geschäftsleitung. Das Persönlichkeitsrecht gelte dann als verletzt, wenn der Betroffene erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung gemacht werde. Dabei sei zu beachten, dass die Kunstfreiheit das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit positiv mit einschließe. Das Bundesverfassungsgericht vermute dabei zugunsten des Autors eine Fiktionalität des Werkes. Etwas anderes gelte dann, wenn der Schriftsteller zum Beispiel einen Wahrheitsanspruch an seinen Schilderungen erhebe. Dies sei im Streitfall aber gerade nicht der Fall. Der Arbeitnehmer habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in seinem Werk um frei erfundene Personen und Handlungen gehe. Weder in der Betriebsratsanhörung noch in der Klageerwiderung seien überzeugende Argumente dafür aufgetaucht, dass das Buch die Wirklichkeit von Personen, Betriebsabläufen und sonstigen Begebenheiten im Betrieb abbilde. Der Arbeitgeber übersehe, dass sich die im Roman aufgegriffenen Betriebsstrukturen auch in anderen Betrieben wiederfänden. Teile der Belegschaft und die Geschäftsführung hätten zwanghaft Gemeinsamkeiten zwischen dem Roman und ihrem Betrieb gesucht. Es seien nur solche vermeintlichen Übereinstimmungen herausgepickt worden, die für sich einen ersten Rückschluss auf eine Person im Betrieb zuließen.
Der Arbeitnehmer habe mit der Buchveröffentlichung auch keine Nebenpflichten verletzt, indem er den Betriebsfrieden gestört hätte. Denn mit dem Roman habe er die Grenzen der Kunstfreiheit nicht überschritten. Die Satire unterliege grundsätzlich keiner Niveaukontrolle. Etwaige Störungen im betrieblichen Frieden seien somit hinzunehmen, vor allem, wenn sie auf Überinterpretationen beruhten.
Auch eine Druckkündigung komme im Streitfall nicht in Betracht. Die Berufung des Arbeitgebers darauf, dass es nach Aussage einiger Abteilungsleiter im Falle einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einem "Aufstand" kommen würde, sei kein ausreichender Sachvortrag. Insbesondere vor dem Hintergrund der Betriebsstärke des Unternehmens im Verhältnis zu der nur geringen Anzahl der vermeintlich Betroffenen, die nicht einmal alle in direktem Kontakt mit dem Arbeitnehmer im Betriebsablauf stünden, sei keine Drucksituation erkennbar. Im Ergebnis sei der Roman des Arbeitnehmers als das zu sehen, was er sei, eine Fiktion (ArbG Herford, Urteil vom 18.02.2011, Az.: 2 Ca 1394/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Soweit Romanveröffentlichungen von Mitarbeitern unter den Grundrechtsschutz der Kunstfreiheit fallen und keine Persönlichkeitsrechte anderer Arbeitnehmer im Betrieb verletzen, hat eine außerordentliche Kündigung keine Aussicht auf Erfolg. Insbesondere bei einem sogenannten Büro-Roman ist ein tatsächlicher Bezug bzw. Wahrheitsgehalt zu real existierenden Personen und Betriebsabläufen nicht allein aus Betriebsstrukturen herzuleiten, die sich auch in anderen Unternehmen wieder finden lassen wie z. B. einem Geschäftsführer, Betriebsrat oder Einkaufsabteilung.
Wichtiger Hinweis
Als Druckkündigung wird die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bezeichnet, die ein Arbeitgeber auf Druck eines Dritten (z. B. Betriebsrat, Gewerkschaft, Kunden, Belegschaft, Behörde) ausspricht. In der Regel kommt nur eine ordentliche Kündigung in Betracht, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Freistellung.
Praxis-Tipp
Beachten Sie, dass der Arbeitgeber nicht jedem Druck nachgeben darf. Er ist vielmehr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern verpflichtet, erkennbar unangemessenen und ungerechtfertigten Forderungen von Seiten Dritter entgegenzutreten und zu widerstehen. Unzulässiger Druck auf den Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Dritten auslösen.
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