Kein Schmerzensgeld: „Mobbingopfer“ kann Mobbing nicht nachweisen
Kein Mobbing ersichtlich: Mobbingopfer scheitert an Beweislast
In einem Aufsehen erregenden Verfahren hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf nun Recht gesprochen und die in Deutschland rekordverdächtige Forderung einer Arbeitnehmerin auf Schmerzensgeld in Höhe von 893.000 € wegen Mobbings zurückgewiesen.
Der Fall
Eine seit 1997 bei einer Kommune als Rechnungsprüferin beschäftigte Diplom-Ökonomin ist der Ansicht, sie sei seit 2008 Schikanen ausgesetzt, die als Mobbing zu werten seien. Ihr sei sogar zu Unrecht fristlos gekündigt worden. Als sie nach gewonnenem Prozess in ihr Büro zurückkehren wollte, habe man sie mit einem Sonderprüfauftrag, für den sie nicht ausgebildet sei, in ein neun Kilometer entferntes städtisches Klinikum „entsorgt". Eine Schulung habe die Arbeitgeberin nicht zahlen wollen. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 893.000 € sei angemessen.
Das sagt das Gericht
Die Klage blieb ohne Erfolg. Der Klägerin sei es nicht gelungen, der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachzukommen und Mobbinghandlungen konkret zu belegen. Nach Auffassung des Gerichts stelle nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber eine Persönlichkeitsverletzung dar, zumal die Klägerin selbst Kritik in heftiger Form ausgeübt habe. Die Kündigung wegen angeblichen Arbeitszeitbetrugs sei kein Mosaikstein eines Mobbingverhaltens gewesen. Anlass der Kündigung seien Differenzen zwischen den Arbeitszeitaufzeichnungen der Klägerin und den beobachteten Anwesenheitszeiten gewesen. Das Arbeitsgericht habe die Kündigung erst nach Beweisaufnahme für unwirksam erachtet. Nachvollziehbar und vertretbar sei es gewesen, die Klägerin nach dem Kündigungsschutzprozess vorübergehend räumlich getrennt im Klinikum für einen Prüfauftrag einzusetzen. Die Arbeitgeberin habe Schulungswünsche der Klägerin, die das Fortbildungsbudget erheblich überschritten, ablehnen dürfen. Zu berücksichtigen sei, dass auch länger dauernde Konfliktsituationen im Arbeitsleben vorkommen und der Arbeitgeber sein Direktionsrecht ausüben dürfe, solange sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz erkennen lasse. Zu beachten sei auch, dass Verhaltensweisen von Vorgesetzten nur Reaktionen auf Provokationen des vermeintlich gemobbten Arbeitnehmers darstellen können. Angesichts der Konfliktsituation habe der Vorgesetzte ein Vier-Augen-Gespräch ablehnen und auf der Teilnahme einer dritten Personen bestehen dürfen. Ein Gesamtverhalten, das als Mobbings zu werten sei, habe im Ergebnis nicht festgestellt werden können (LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2013, Az.: 17 Sa 602/12).
Wichtiger Hinweis
Das LAG Düsseldorf hat die Revision nicht zugelassen.
Darlegungs- und Beweislast liegt beim (vermeintlichen) Mobbingopfer
Mobbing wird als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Kollegen oder Vorgesetzte definiert. Kennzeichnend für Mobbing ist, dass nicht einzelne, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit führt. Dafür ist das Mobbingopfer darlegungs- und beweispflichtig.
Mobbingtagebuch kann bei Bewältigung der Beweislast helfen
Ein Mobbingopfer, das durch Mobbinghandlungen krank wird, muss nachweisen, dass die Mobbinghandlungen kausal für die Krankheit war. Die Rechtsprechung kennt keine dahingehende Vermutung, dass eine bestimmte Verhaltensweise oder ein bestimmtes Erlebnis zu einer bestimmten Erkrankung führt. Deshalb ist das Mobbingopfer angehalten, die Mobbinghandlungen minutiös, bestenfalls mithilfe eines Mobbingtagebuchs, zu dokumentieren, um sie in einem späteren Verfahren detailliert darlegen und beweisen zu können. Ein solches Dokument oder Zeugen, die bestimmte Mobbinghandlungen bestätigen können, sind für die Erfolgsaussichten einer Schmerzensgeldklage wegen Mobbings von herausragender Bedeutung.
Mobbingtagebuch zum Download
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Mobbing frühzeitig erkennen: Checkliste zum Download
Erhöhen Sie Ihre Sensibilität gegenüber Mobbing am Arbeitsplatz. Mit dieser Checkliste werden Sie Veränderungen im Verhalten einzelner Mitarbeiter frühzeitig erkennen.
Checkliste: Mobbing frühzeitig erkennen
100 typische Mobbinghandlungen: Übersicht zum Download
Mobbing am Arbeitsplatz hat viele Gesichter. Machen Sie sich deshalb unbedingt mit den Formen des Mobbing vertraut. Welche Verhaltensweisen als Mobbinghandlungen in Betracht kommen, können Sie mithilfe unserer Übersicht feststellen.
Übersicht: Die 100 typischen Mobbinghandlungen
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