Klagefrist bei Kündigungsschutzklage: Kündigung geht auch während Urlaub wirksam zu
Kündigungsschutzklage: Klagefrist beginnt trotz urlaubsbedingter Abwesenheit mit Zugang des Kündigungsschreibens
Arbeitsrechtliche Kündigungsschreiben gehen dem Empfänger auch dann zu, wenn er sich urlaubsbedingt im Ausland aufhält. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine ständige Rechtsprechung bestätigt. Danach beginnt die dreiwöchige Klagefrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kündigungsschreiben in den Briefkasten eingeworfen wird (siehe unten).
Wartezeit und Kleinbetriebsklausel: Kündigungsschutzgesetz gilt nicht für alle
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor Kündigung. Ist ein gekündigter Arbeitnehmer der Meinung, er sei zu Unrecht gekündigt worden, so hat er die Möglichkeit, mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG gegen die Kündigung vorzugehen. Voraussetzung für den Kündigungsschutz gemäß §§ 1 bis 14 KSchG ist die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers. Das ist gemäß §§ 1, 23 KSchG der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat (Wartezeit) und wenn dort in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind (Kleinbetriebsklausel).
So funktioniert die Kündigungsschutzklage
Will ein gekündigter Mitarbeiter geltend machen, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung sozial ungerechtfertigt ist im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG, so muss er nach § 4 KSchG Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Die Klage muss innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht eingehen.
Wichtiger Hinweis
Ist eine Kündigung wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot aus § 623 BGB unwirksam, so kann dieser Mangel ausnahmsweise auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, also nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist, gerügt werden. § 4 Satz 1 KSchG spricht nämlich ausdrücklich davon, dass die Klagefrist nur durch schriftliche Kündigung ausgelöst wird (siehe „Das sagt das KSchG“). Dennoch sollte sich der betreffende Arbeitnehmer auch in einem solchen Fall nicht zu lange Zeit lassen, weil das Klagerecht unter bestimmten Voraussetzungen auch verwirken kann.
Ein Gestaltungsrecht ist verwirkt (kann nicht ausgeübt werden), wenn seit der Möglichkeit der Ausübung (Geltendmachung) längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird.
Wenn ein Arbeitnehmer nicht rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhebt, so gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam, § 7 KSchG.
Bei schuldlos versäumter Klagefrist ist nachträgliche Klagezulassung möglich
Versäumt ein Arbeitnehmer die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist, so kann er die nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG beantragen. Ein solcher Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn der gekündigte Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Kündigungsschutzklage fristgerecht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist zu erheben.
Der Fall
Ein Arbeitnehmer hielt sich vom 12.06. bis 27.06.2009 urlaubsbedingt im Ausland auf. Bei seiner Rückkehr am 27.06.2009 fand er in seinem Briefkasten ein auf den 25.06.2009 datiertes Kündigungsschreiben. Darin erklärte der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitszeitbetrugs. Der Arbeitgeber wusste, dass der Mitarbeiter ins Ausland verreist war. Die Urlaubsanschrift war ihm nicht bekannt. Am 17.07.2009 erhob der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers Kündigungsschutzklage. In der Klagebegründung heißt es, das Schreiben vom 25.06.2009 sei dem Kläger am 27.06.2009 zugegangen. Der Arbeitgeber entgegnete, er habe das Kündigungsschreiben vom 25.06.2009 noch am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitgebers. Eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung werde gemäß § 130 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sie dem Empfänger zugehe. Bei einer verkörperten Willenserklärung (hier das Kündigungsschreiben) genüge es, dass sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt sei und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (hier am 25.06.2012). Unerheblich sei, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen habe (hier am 27.06.2009) und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben könne diesem deshalb auch dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit wisse. Die Kündigungsschutzklage sei nachträglich nur zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Dabei werde ihm das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist zugerechnet. Ein Irrtum über die für die Fristberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände könne nur dann zur nachträglichen Klagezulassung führen, wenn er unverschuldet sei. Der Prozessbevollmächtigte müsse auch die mögliche Unrichtigkeit einer Parteiinformation in Betracht ziehen und bestehende Zweifel ausräumen (BAG, Urteil vom 22.03.2012, Az.: 2 AZR 224/11).
Das sagt das KSchG
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
1. in Betrieben des privaten Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
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§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
§ 5 Zulassung verspäteter Klagen
(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.
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