Gewerkschaftsmitglieder bevorzugt: BAG bestätigt Differenzierungsklausel
Tarifliche Differenzierungsklauseln sind seit jeher Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Der Grund ist, dass sie Gewerkschaftsmitgliedern höhere Leistungen zugestehen als den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern. Nach neuer Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind solche Klauseln teilweise zulässig.
Der Fall aus der Praxis
Eine Mitarbeiterin der freien Wohlfahrtspflege, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft war, fühlte sich von ihrem Arbeitgeber benachteiligt. Dieser hatte im Rahmen eines Sanierungskonzepts mit der zuständigen Gewerkschaft ausgehandelt, dass tariflich vorgesehene jährliche Sonderzahlungen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt werden und im Gegenzug eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 535 € an alle Arbeitnehmer erfolgen sollte, die Mitglied in der Gewerkschaft sind. Zwar enthielt der Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin eine allgemeine Bezugsklausel auf die einschlägigen Tarifvorschriften, die Ausgleichszahlung erhielt Sie aber trotzdem nicht. Deshalb erhob sie gegen ihren Arbeitgeber Zahlungsklage.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Bezugsklausel nicht grundsätzlich der Gleichbehandlung eines Nicht-Gewerkschaftsmitglieds mit einem Gewerkschaftsmitglied diene, sondern nur sicherstelle, dass tarifliche Regelungen auch auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Da die Mitarbeiterin aber die Voraussetzung der Mitgliedschaft nicht erfülle, ergebe sich auch kein Recht auf eine Entschädigung. Die Vereinbarung mit der Gewerkschaft sei darüber hinaus wirksam zustande gekommen, weil sie, gemessen an § 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG), aufgrund des geringen Betrags keinen unzulässigen Druck auf Nichtgewerkschaftsmitglieder ausübe. Ein solcher könne nur bei Kernbereichen des Arbeitsverhältnisses entstehen, nicht aber bei Differenzierungsklauseln, die letztendlich dazu dienten, die Gewerkschaft bei anstehenden Sanierungen mit ins Boot zu holen (BAG, Urteil vom 18.03.2009, Az.: 4 AZR 64/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Regelungen in Tarifverträgen, die Mitgliedern der beteiligten Gewerkschaft Vorteile einräumen sollen, werden als sogenannte Differenzierungsklauseln bezeichnet. Während diese früher von der Rechtsprechung nicht akzeptiert wurden, nehmen die Gerichte in jüngster Zeit eine andere Bewertung vor, wie der Eingangsfall eindrucksvoll verdeutlicht. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass nichts vereinbart werden kann, was über die eigentliche Tarifautonomie hinausgeht. Ansonsten würde ein Verstoß gegen die sogenannte negative Koalitionsfreiheit vorliegen.
Wichtiger Hinweis
Als negative Koalitionsfreiheit wird die Freiheit des Einzelnen bezeichnet, einer Koalition fernzubleiben. Sie ist nach überwiegender Meinung ebenfalls durch Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) geschützt, weil sie die Kehrseite des Rechts ist, sich zu einer Koalition zusammenzuschließen
- Einfache Differenzierungsklausel
Eine einfache Differenzierungsklausel sorgt dafür, dass nur Gewerkschaftsmitglieder Anspruch auf eine Sonderzahlung oder einen Bonus haben. Im Tarifvertrag selbst finden sich aber keine Schranken dafür, dass der Arbeitgeber, dann allerdings freiwillig, auch Nichtmitgliedern die entsprechenden Leistungen gewähren kann.
- Qualifizierte Differenzierungsklausel
Eine qualifizierte Differenzierungsklausel sorgt dafür, dass im Ergebnis die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter in jedem Fall mehr erhalten, als Nichtmitglieder.
BAG hat kein Grundsatzurteil gefällt
Beachten Sie, dass sich das Gericht im Eingangsfall nicht zur generellen Zulässigkeit einer einfachen Differenzierungsklausel geäußert hat, sondern lediglich für den vorgelegten Sachverhalt eine positive Entscheidung getroffen hat. Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung für weitere Fälle wegweisend sein wird.
- Kommentieren
- 5217 Aufrufe