Integrationsamt muss fristlose Kündigung Schwerbehinderter genehmigen
Eintägige Verspätung bei fristloser Kündigung Schwerbehinderter ist unschädlich
Die fristlose Kündigung Schwerbehinderter kann nach § 91 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch noch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfolgen, wenn der Arbeitgeber sie „unverzüglich“ nach der Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt ausspricht. Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Oberhausen ist dabei eine Verzögerung um einen Tag unschädlich.
Schwerbehinderte genießen besonderen Schutz vor Kündigungen
Schwerbehinderte Menschen sind gemäß §§ 85, 91 SGB IX besonders vor Kündigungen geschützt. Danach bedarf es sowohl bei einer ordentlichen als auch bei einer außerordentlichen Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Eine ohne entsprechende Zustimmung des Integrationsamtes erfolgte Kündigung ist unwirksam.
Der Fall aus der Praxis
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer war bei der Stadt Oberhausen beschäftigt. Seine Aufgabe war es u. a. die Geschäfte der "Werbegemeinschaft Oberhausener Kirmessen e. V." zu führen. Nachdem der Arbeitgeber erfahren hatte, dass der Mitarbeiter Gelder veruntreut hatte, fasste er den Entschluss, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. Der Arbeitgeber ging von einem Schaden in Höhe von 28.700 € aus. Der Mitarbeiter gab zu, rund 17.500 € der Werbegemeinschaft veruntreut zu haben. Am 08.03.2011 erteilte das Integrationsamt seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers. Am darauf folgenden Tag kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht unverzüglich, sondern erst am 09.03.2011 erfolgt sei.
Das sagt das Gericht
Das Gericht war anderer Meinung und gab dem Arbeitgeber recht. Die Kündigung sei wirksam. Die nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochene Kündigung sei auch „unverzüglich“ nach § 91 Abs. 5 SGB IX ausgesprochen worden. Zwar habe der Arbeitgeber die Kündigung nicht direkt am 08.03.2011, sondern erst am 09.03.2011 ausgesprochen. Diese Verzögerung um lediglich einen Tag stelle aber keinen Verstoß gegen § 91 Abs. 5 SGB IX dar (ArbG Oberhausen, Urteil vom 30.06.2011, Az.: 2 Ca 563/11).
Außerordentliche Kündigung muss innerhalb zweiwöchiger Ausschlussfrist erfolgen
Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung setzt nach § 626 Abs. 2 BGB voraus, dass der Arbeitgeber innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes die Kündigung ausspricht. Die Frist beginnt, wenn der Arbeitgeber oder ein anderer Kündigungsberechtigter von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. § 91 Abs. 5 SGB IX ermöglicht im Falle der fristlosen Kündigung Schwerbehinderter den Ausspruch der Kündigung auch nach Ablauf der Zwei-Wochenfrist erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird.
Unverzüglich meint ohne schuldhaftes Zögern
Der Begriff „unverzüglich“ taucht an verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Gesetzen auf. Eine gesetzliche Definition findet sich jedoch nur in § 121 BGB. Danach ist eine Handlung unverzüglich, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern vorgenommen wurde. Entscheidend ist die subjektive Zumutbarkeit. Nicht erforderlich ist, dass die Handlung „sofort“ vorgenommen wird.
- Kommentieren
- 8249 Aufrufe