Diskriminierung eines Stellenbewerbers kommt nur bei vergleichbarer Qualifikation in Betracht
Abgelehnte Bewerber, die nicht über die geforderte Qualifikation verfügen, können keine Entschädigung wegen einer unzulässigen Benachteiligung geltend machen, wenn ein Mitbewerber den Zuschlag erhält, der das Anforderungsprofil erfüllt.
Der Fall aus der Praxis
Eine türkischstämmige Reisekauffrau islamischen Glaubens hatte sich auf eine Stellenanzeige einer evangelischen Landeskirche beworben. Die Kirche suchte eine erfahrene Schulungsfachkraft, die über einen befristeten Zeitraum ein Projekt begleiten sollte, dessen Hintergrund die Integrationsarbeit mit erwachsenen Migrantinnen bildete. Das Anforderungsprofil verlangte ein abgeschlossenes Studium der Sozialwissenschaft bzw. Sozialpädagogik sowie die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche. Die Deutschtürkin, die bereits einschlägige berufliche Erfahrungen im sozialen Bereich gesammelt hatte, verfügte weder über einen Hochschulabschluss, noch war sie Mitglied in einer christlichen Kirche. Letzteres war jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Berücksichtigung der Bewerbung. Dies hatte ihr die Landeskirche nochmals ausdrücklich mitgeteilt. Die Landeskirche vergab den Job schließlich an eine Akademikerin indischer Herkunft. Die abgelehnte Bewerberin fühlte sich durch die Entscheidung diskriminiert klagte auf Entschädigung wegen unmittelbarer Benachteiligung aufgrund ihrer Religion und mittelbarer Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass eine Entschädigung wegen Diskriminierung nur dann infrage komme, wenn die Bewerbung mit der anderer vergleichbar sei. Dies sei nach dem Anforderungsprofil des Arbeitgebers zu beurteilen. Im Streitfall sei die muslimische Klägerin mit anderen Bewerbern aber nicht vergleichbar gewesen, da sie nicht über die verlangte Hochschulausbildung verfügt habe (BAG, Urteil vom 19.08.2010, Az.: 8 AZR 466/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein abgelehnter Bewerber kann nur dann eine Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erfolgreich geltend machen, wenn seine Bewerbung mit denjenigen anderer Bewerber vergleichbar ist. Ob eine Vergleichbarkeit vorliegt, ist nach dem Anforderungsprofil zu beurteilen.
Wichtiger Hinweis
Der Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG setzt voraus, dass es zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals aus § 1 AGG gekommen ist. Die Zulässigkeit einer besonderen beruflichen Anforderung, wie die eines Hochschulabschlusses, beurteilt sich nach § 8 AGG. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung zulässig, wenn das geforderte Kriterium zweckmäßig, angemessen und wesentlich sowie entscheidend für die Art der auszuübenden Tätigkeit ist.
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