Vorgetäuschte Krankheit kostet Job
Ein ärztliches Attest hat keine absolute Gültigkeit. Besteht der begründete Verdacht, dass ein Mitarbeiter eine Erkrankung simuliert, so muss er nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig ist.
Der Fall aus der Praxis
Ein Krankenpfleger, der bereits seit drei Wochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, sprach bei seinem Vorgesetzten vor, um diesem die Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeit persönlich mitzuteilen. Im Laufe des Gespräches teilte er mit, dass er im Prinzip geistig und körperlich in guter Form sei und lediglich aufgrund der in der Abteilung herrschenden Zustände mit einem jederzeit kurzfristig eintretenden Erschöpfungszustand zu rechnen habe. Aufgrund dieser Aussage war seine Glaubwürdigkeit erschüttert, dass der Arbeitgeber unverzüglich die fristlose Kündigung aussprach. Der Krankenpfleger erhob Kündigungsschutzklage.-
Das sagt der Richter
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts war die Kündigung wirksam. Im Verhalten des Mitarbeiters sei eine Handlung zu sehen, die den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entwerte. Zwar sei eine solche Bescheinigung grundsätzlich geeignet, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu attestieren. Erhebliche Zweifel ergäben sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer selbst davon ausgehe, dass er eigentlich physisch und psychisch fit sei. In einem solchen Fall müsse der Mitarbeiter dann weitere sachliche Argumente vorbringen und darlegen, die die Glaubwürdigkeit seiner Erkrankung untermauern. Da der Krankenpfleger im Streitfall diesen Anforderungen nicht gerecht werden konnte, könne von einer vorgetäuschten Erkrankung ausgegangen werden. Einen solchen Vertrauensbruch müsse der Arbeitgeber nicht hinnehmen (Hessisches LAG, Urteil vom 08.02.2010, Az.: 16 Sa 890/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Jedes Jahr entstehen den Unternehmen exorbitante Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter. Nicht unerheblich ist dabei der Anteil der „Blaumacher“. Hegt ein Arbeitgeber den Verdacht, dass ein Mitarbeiter seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht, so muss er beweisen, dass tatsächlich ein vorgetäuschter Krankheitsfall vorliegt. Aufgrund des hohen Beweiswerts einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lässt sich dieses Unterfangen in der betrieblichen Praxis zumeist nur schwer bewältigen.
Wichtiger Hinweis
Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet dem Arbeitgeber, Auskünfte über seine Erkrankung zu erteilen. Insbesondere kann er nicht gezwungen werden, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Erst wenn sich der Verdacht einer vorgetäuschten Erkrankung erhärtet, verliert die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihren Beweiswert. Dies können z. B. widersprüchliche Äußerungen des Arbeitnehmers selbst sein (siehe Eingangsfall) oder sonstige Anhaltspunkte, von denen der Arbeitgeber Kenntnis erlangt.
Checkliste zum Download
Welche Indizien dabei eine Rolle spielen können, erfahren Sie anhand unserer Checkliste Anzeichen einer vorgetäuschten Krankheit.
So wendet sich das Blatt
Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, so liegt es am Arbeitnehmer, den Nachweis zu erbringen, dass er tatsächlich krank ist. Dazu muss er darlegen, welche Art von Erkrankung vorliegt, welche gesundheitlichen Einschränkungen daraus resultieren und zu welchen Verhaltensmaßregeln der Arzt geraten hat. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass es sich um eine vorgetäuschte Erkrankung gehandelt hat und kann ohne vorherige Abmahnung kündigen.
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