Aufpassen bei der Einstellung: Bei Bewerberauswahl droht die „AGG- Falle“ Schwerbehinderung
Der Fall aus der Praxis
Hintergrund der Klage waren zahlreiche Bewerbungen bei öffentlichen Arbeitgebern eines von Kündigung bedrohten Schwerbehinderten, die allesamt abschlägig beurteilt wurden. Innerhalb von zwei Jahren kamen so 120 Absagen zustande. Der abgelehnte Bewerber machte daraufhin Entschädigungsansprüche wegen Benachteiligung aufgrund seiner Behinderungen gegenüber einer Gemeinde geltend, die ihn nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte.
Das sagt der Richter
Das Gericht traf seine Entscheidung zugunsten des Bewerbers. Durch die Nichtberücksichtigung in einem Vorstellungsgespräch wurde der Kläger in unzulässiger Weise diskriminiert. Dieser konnte die der Stellenausschreibung entsprechende Qualifikation vorweisen. Dem Einwand der Beklagten, dass der Bewerber nicht ernsthaft vorhatte, sich zu bewerben, sondern durch die massive Anzahl von Bewerbungen nur Entschädigungssummen kassieren wollte, ist das Gericht nicht gefolgt. Aufgrund der drohenden Kündigung seines früheren Arbeitgebers habe er mit dem Verlust seines Arbeitplatzes rechnen müssen, so dass auch die Zahl von 120 Bewerbungen innerhalb von zwei Jahren nicht gegen die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbungen spreche (Hessisches LAG, Urteil v. 28.8.2009, 19/3 Sa 1636/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Das Wichtige vorneweg! Die Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten gilt nicht nur für öffentliche Arbeitgeber, sondern auch für private Unternehmen, die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen. Es sind mindestens 5 Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Erfüllen sie diese Quote nicht, müssen Sie für jeden unbesetzten Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Expertenrat
Bedenken Sie, dass Sie als Arbeitgeber auch sehr viele Vorteile ziehen können, wenn Sie auf schwerbehinderte Mitarbeiter setzen. Abgesehen von der positiven Image-Werbung sind zum Teil erhebliche Förderungen möglich. So können beispielsweise Eingliederungszuschüsse bis zu 70 Prozent des Arbeitslohnes einschließlich ihres Gesamtsozialversicherungsbeitrages geltend gemacht werden.
Noch teurer wird es für Sie, wenn Sie öffentlich- rechtlicher Arbeitgeber sind und schon bei der Vorauswahl Fehler machen. Auch bei Bewerbern ist § 15 Abs. 2 AGG anzuwenden, mit der Folge, dass Sie bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot eine Entschädigung zu zahlen haben. Diese kann bei Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch bis zu 3 Monatsgehälter betragen.
Praxistipp
Es empfiehlt sich, einen genauen Blick auf die Qualifikationen des Bewerbers zu werfen, denn die Verpflichtung besteht nicht, wenn der schwerbehinderte Bewerber für die ausgeschrieben Stelle offensichtlich nicht geeignet ist. Diese Feststellung ist anhand eines Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln. Die fachliche Eignung fehlt, wenn der Bewerber über die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs-, Praxis- oder Prüfungsvoraussetzungen nicht verfügt.
Schnellcheck zum Download
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