Steuerliche Selbstanzeige – Nur vollständige Aufdeckung lässt Strafe entfallen
Die Ereignisse des Jahres 2010 (Stichwort Liechtenstein CD) haben viele Steuersünder nicht mehr ruhig schlafen lassen. 22.415 strafbefreiende Selbstanzeigen sind allein zwischen Februar und Ende Juli 2010 bei den Finanzämtern eingegangen. Der Grund ist offensichtlich - durch die Selbstanzeige können reuige Steuersünder unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit erlangen.
Mit der am 03.05.2011 in Kraft getretenen Neuregelung hat der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen der strafbefreienden Selbstanzeige entscheidend verschärft. Neben Änderungen bei den strafrechtlichen Regeln bezüglich der Geldwäsche führt das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
- ein erweitertes Vollständigkeitsgebot bezüglich der hinterzogenen Steuern ein
- legt die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung als neuen Sperrgrund fest und
- sorgt für die Einführung einer „freiwilligen Zahlung” von 5 % der verkürzten Steuer, um bei Verkürzungsbeträgen von mehr als 50.000 € Straffreiheit zu erlangen.
Selbstanzeige verlangt immer nach einer Risikoabwägung
Steuerhinterzieher stehen in der Regel immer wieder vor einer Abwägung: Wie groß sind die Chancen, doch noch vom Fiskus „erwischt“ zu werden im Verhältnis zu den Kosten einer steuerlichen Selbstanzeige. Der gesunde Menschenverstand sollte gerade bei "kleineren" Fällen – auch bei geringem Entdeckungsrisiko – dazu raten, sich dem Finanzamt zu offenbaren.
Aufpassen
Eine steuerliche Selbstanzeige sollte niemals ohne entsprechende Fachberatung durch Steuerberater und/ oder Rechtsanwalt vorgenommen werden!
Übrigens ist auch der Steuerberater bei der Steuerhinterziehung nicht ungefährdet. Hat er bspw. die Falscherklärung eines Mandanten mitgetragen, sollte (und wird) er über eine Selbstanzeige nachdenken. Diesbezüglich ist die Mandantenbeziehung und die daraus resultierende Verschwiegenheitsverpflichtung unbeachtlich.
Nur eine vollständige Selbstanzeige hilft weiter
Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde die Kernvorschrift der Selbstanzeige (§ 371 AO) gravierend geändert.
Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.
Dies bedeutet, dass eine Selbstanzeige nur noch dann strafbefreiende Wirkung hat, wenn gegenüber dem Fiskus für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart vollständige Angaben gemacht werden. Straffreiheit soll laut Gesetzesbegründung dann nicht gewährt werden, wenn von den bisher verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen bewusst nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden, z. B. weil nur genau deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet wird. Alle Besteuerungsgrundlagen müssen zutreffend nacherklärt werden. Ein Taktieren mit einer bloß teilweisen Offenbarung (bewusste Teilselbstanzeige) ist damit ausgeschlossen. Nur wer sich für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet, kann sich der Straffreiheit sicher sein.
Verjährung richtet sich nach den steuerstrafrechtlichen Vorgaben
Der notwendige Umfang der Selbstanzeige bemisst sich an der strafrechtlichen Verfolgungsfrist nach den §§ 78 ff. StGB, § 376 AO und nicht etwa an der steuerlichen Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO). Die Frist beträgt grundsätzlich fünf Jahre und verlängert sich bei einer besonders schweren Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber an einem internen Verwaltungserlass des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums (25. 6. 2010 - S 0702 - 9 - V A 1) angelehnt, nach dem die strafbefreiende Selbstanzeige nur dann vollständig sein soll, wenn für jede Steuerart der gesamte strafrechtlich noch verfolgbare Zeitraum angezeigt wird.
Vorsätzliche Teilselbstanzeige führt bei der Steuerhinterziehung nicht zur Strafbefreiung
Unter Steuerexperten ist derzeit noch teilweise umstritten, ob die einschneidenden Wirkungen einer unvollständigen Selbstanzeige stets eintreten oder ob sie auf Sachverhalte beschränkt bleiben, in denen dem Steuersünder die Unvollständigkeit seiner Selbstanzeige bewusst ist. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 16.03.2011 (BT-Drucks. 17/5067) wird lediglich klargestellt, dass die Formulierung „in vollem Umfang” nicht bedeute, dass jede Selbstanzeige auf „Euro und Cent” genau sein müsse. In der Gesetzesbegründung wird allerdings auch betont, dass die strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr im Rahmen einer „Hinterziehungsstrategie” missbraucht werden dürfe und bloßes Taktieren und „Reue nach dem Stand der Ermittlungen” nicht honoriert werden soll. Daraus lässt sich zumindest der Schluss ziehen, dass nur eine mit Wissen und Wollen (also vorsätzliche) unvollständige Teilselbstanzeige zu einem Ausschluss der Straffreiheit führt. Die diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidungen dürften hier mehr Klarheit bringen.
Bei leichtfertiger Steuerverkürzung ist vorsätzliche Teilselbstanzeige wirksam
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Selbstanzeige sind bei der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 3 AO) im Ergebnis nicht verändert worden. Die Vorschrift wird wie folgt neu gefasst:
Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. § 371 Absatz 3 und Absatz 4 gilt entsprechend.
Der Gesetzgeber hat sich hier an die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO gehalten. Durch das Wort „soweit” wird allerdings klar gemacht, dass die strengen Vollständigkeitsanforderungen der Steuerhinterziehung hier gerade nicht gelten sollen. Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung sind daher auch Teilselbstanzeigen uneingeschränkt wirksam und führen zur Straffreiheit.
Beibehalten wurde auch, dass bei der leichtfertigen Steuerverkürzung nur die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige ausschließt. Begründet wird dies damit, dass es sich bei der leichtfertigen Steuerverkürzung im Gegensatz zur Steuerhinterziehung um ein Fahrlässigkeitsdelikt mit deutlich geringerem Schuldvorwurf handelt. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass der Täter – wie bisher – noch während einer laufenden Außenprüfung oder nach einer Tatentdeckung eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten kann. Damit wird auch die in der Praxisbei Unternehmen bisher schwierige Abgrenzung zwischen einer Berichtigungsanzeige (§ 153 AO) und einer strafbefreienden Selbstanzeige erleichtert.
Neue Sperrgründe schließen Straffreiheit künftig generell aus
Mit der Neufassung des § 371 Absatz 2 AO wird die Zahl der Sperr- bzw. Ausschlussgründe von bisher drei auf fünf erhöht.
1. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
Straffreiheit tritt in Zukunft im Gegensatz zur früheren Fassung des § 371 nicht ein, wenn dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Der Gesetzgeber möchte nach Ansicht mancher Fachleute ein „Großreinemachen” des Steuerpflichtigen im Vorfeld einer angekündigten Außenprüfung verhindern bzw. mit zusätzlichen strafrechtlichen Risiken belasten. Es ist allerdings fraglich, ob damit vermehrte Rechtssicherheit eintritt. Der Sperrgrund ist nämlich nur dann einschlägig, wenn die Prüfungsanordnung ihrerseits rechtmäßig und nicht nichtig ist. Hier werden sich künftig vermehrt Anfechtungen unter Berufung auf § 196 A= ergeben.
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Der bisher existierende Sperrgrund des „Erscheinens eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit findet sich jetzt in § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO.
2. Steuerverkürzung von mehr als 50.000 €
Nach einer Selbstanzeige soll (zunächst) keine Straffreiheit eintreten, wenn die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3 AO).
Der neue § 398a AO schafft aber gleichzeitig einen Ausweg:
In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3) wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist
1.die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und
2. einen Geldbetrag in Höhe von fünf Prozent der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.”
Diese etwas unverständliche Regelung beruht auf Forderung des Bundesrats, die Wirksamkeit einer Selbstanzeige von der zusätzlichen Entrichtung eines „freiwilligen“ Zuschlags von 5 % auf den hinterzogenen Steuerbetrag abhängig zu machen. Der Hinterziehungsbetrag von 50.000 € bezieht sich auf die jeweilige Tat im strafrechtlichen Sinne, die durch die Steuerart, den Besteuerungszeitraum und den Steuerpflichtigen bestimmt wird. Im Schrifttum wird kritisiert, dass durch den Zuschlag nur jene Steuerpflichtige belastet werden, die durch die Selbstanzeige „steuerehrlich“ werden. Die durch die Finanzverwaltung „erwischten“ Steuerhinterzieher werden dagegen hier verschont.
Bisherige Sperrgründe gelten weiter
Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die bisherigen Sperrgründe bezüglich eines Ausschlusses der Straffreiheit beizubehalten. Dabei handelt es sich um
- die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO) und
- der Tatentdeckung in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO.
Die Änderungen im Wortlaut sind im Grunde lediglich redaktioneller Natur.
Reumütige Steuersünder sollten nur mit beruflich Verschwiegenen kommunizieren
Wie schon erwähnt, sollten Steuersünder unbedingt fachlichen Rat einholen. Hier ist es unabdingbar, nur mit solchen Experten zu reden, die bezüglich ihrer Tätigkeit ein gesetzlich garantiertes Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht besitzen.
Muster zum Download
Ein Muster für eine Selbstanzeige finden Sie hier.
Wichtig
Sind mehrere Beteiligte in die Steuerhinterziehung verwickelt (bspw. Ehepaare, Erbengemeinschaft, GmbH-Geschäftsführer) sollten diese gemeinsam Rat suchen und das Vorgehen gegenüber der Finanzbehörde abstimmen. Erstattet nämlich nur einer der Beteiligten Selbstanzeige, ist für die anderen der Weg in die Steuerehrlichkeit „versperrt“, da dann eine Tatentdeckung im Sinne des § 371 Absatz 2 Nr. 2 vorliegt.
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