Unklare AGB beim Gewerbemietvertrag gehen zu Lasten des Vermieters
Die Immobilienpreissteigerungen der letzten Jahre schlagen sich mittlerweile auch bei den Gewerbeimmobilien nieder. Das hier einschlägige gewerbliche Mietrecht unterscheidet sich in seinen Grundsätzen zwar vom extrem verbraucherfreundlichen Wohnraummietrecht – allerdings tendiert die höchstrichterliche Rechtsprechung mittlerweile dazu, hier eine gewisse Annäherung vorzusehen. Ein jüngst zugunsten des Gewerbemieters ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs über die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) in einem Gewerbemietvertrag unterstreicht dies nachdrücklich.
Der Fall
Gewebemieter soll Grundsteuererhöhung von fast 200 Prozent zahlen.
Im März 2007 schlossen Vermieter und Mieter einen Mietvertrag über ein noch fertigzustellendes großes Ladenlokal in der Innenstadt von Heilbronn. Im Zusammenhang mit den Nebenkosten enthielt der Mietvertrag folgende, vom Vermieter gestellte, AGB:
Die Grundsteuer zahlt der Vermieter. Erhöhungen gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer trägt der Mieter (…).
Die Übergabe des Ladenlokals erfolgte am 01.12.2008, die tatsächliche Geschäftseröffnung fand am 05.03.2009 statt. Für das Jahr 2009 setzte die Stadt Heilbronn die Grundsteuer – ausgehend von einem Grundsteuermessbetrag für ein unbebautes Grundstück auf 16.029,24 Euro – durch Bescheid am 9. Januar 2009 fest. Mit einem weiteren Bescheid (11.01.2010) wurde die Grundsteuer aufgrund eines Grundsteuermessbetrags für ein bebautes Geschäftsgrundstück dann auf 66.998,14 Euro festgesetzt. Der Vermieter verlangte daraufhin die Zahlung des seiner Auffassung nach auf den entfallenden Anteil der Grundsteuerdifferenz in Höhe von 45.310,63 Euro. Das Landgericht wies die entsprechende Klage des Vermieters ab, das Oberlandesgericht als Berufungsgericht gab dann dem Vermieter Recht. Mit einer Revision vor dem BGH verlangte der Mieter die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Das Urteil
Die Bundesrichter entschieden zugunsten des Mieters. Die Auffassung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei müssen die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde gelegt werden. Nach diesen Maßstäben führt die Auslegung der Klausel im vorliegenden Fall dazu, dass für den Fall der Neufestsetzung der Grundsteuer aufgrund der Bebauung und Vermietbarkeit des Grundstücks unklar bleibt, ob die sich daraus ergebenden Differenzbeträge auf die Mieter umgelegt werden dürfen. Die hier fragliche Vertragsklausel ist jedenfalls nicht eindeutig im Sinne des Vermieters auszulegen. Dieser hat als Verwender der allgemeinen Geschäftsbedingungen dann den Nachteil der Mehrdeutigkeit zu tragen. Für die vom Berufungsgericht vorgenommene restriktive Auslegung der Klausel im Sinne einer möglichst umfassenden Überwälzung der Nebenkosten auf die Mieter besteht keine Grundlage. Wie aus der Klausel ersichtlich ist, sollte die Grundsteuer grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, wie dies auch der gesetzlichen Regelung entspricht (BGH, Urteil vom 17.02.2016; Az.: XII ZR 183/13).
Das bedeutet die Entscheidung für Gewerbemieter
Für Gewerbemieter ist die Entscheidung durchaus erfreulich. Der BGH geht bezüglich belastender Vermieter-AGB von einer ähnlichen hohen Schutzwürdigkeit wie bei Verbrauchern – zumindest in bestimmten Bereichen – auch bei gewerblichen Mietern aus. Die Folge der Anwendung der entsprechenden Verbraucherschutzregeln (s. §§ 305 ff. BGB) ist dann, dass die unwirksamen AGBs gerichtlich durch die mieterfreundlichen BGB-Regelungen ersetzt werden.
Tipp
Wenn Sie als potenzieller Mieter eine Gewerbeimmobilie anmieten möchten, finden Sie hierzu viele wichtige Informationen auf jll.de. Lassen Sie sich Zeit bei der richtigen Immobilienauswahl und treffen sie keine überstürzten Entschlüsse. Unser Tipp für Sie - Sie sollten sich immer vor (!) konkretem Vertragsabschluss durch einen kompetenten Rechtsanwalt beraten lassen. Die Kosten machen sich in aller Regel später mehr als bezahlt.
Wann AGBs vorliegen
Dreh- und Angelpunkt ist vor Gericht vor allem die Frage, ob es sich bei strittigen Klauseln um AGBs oder individualrechtliche Einzelvereinbarung handelt. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind laut § 305 Absatz 1 Satz 1 BGB „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.“ Im Volksmund werden sie gern als das „Kleingedruckte“ bezeichnet. Weitgehend unbekannt ist allerdings, dass auch ein bloßes Verhandeln über Vertragsbedingungen nicht grundsätzlich dazu führt, dass von einer Seite vorformulierte und gestellte Vertragsbedingungen als individualvertragliche Bestimmungen eines Vertrags anzusehen sind. Vom sogenannten „Aushandeln“ und damit einer Individualvereinbarung kann immer nur dann ausgegangen werden, wenn der Verwender diese Regelung ernsthaft inhaltlich zur Disposition gestellt und dem Vertragspartner die Möglichkeit gibt, dessen eigenen Interessen einzubringen.
Aufpassen
Ein allgemeiner Hinweis, man könne über alle Vertragsbestimmungen reden und sei generell bereit, die vertragliche Regelung abzuändern, führt laut ständiger Rechtsprechung eben noch nicht dazu, dass eine individuelle vertragliche Vereinbarung vorliegt.
Fachleute gehen davon aus, dass etwa 95% der gewerbemietrechtlichen Regelungen als AGB der strengen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterfallen. Es lohnt sich also durchaus, die Mietverträge im Streitfall genau zu untersuchen.
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