Kundenabwerbung per Telefon - Kein Tabu bei mutmaßlicher Einwilligung
Das Abwerben von Kunden per Telefon begründet keinen Wettbewerbsverstoß, wenn der Anrufende davon ausgehen kann, dass die mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen vorliegt.
Der Fall aus der Praxis
Zwei ehemalige Vertriebsleiter eines Unternehmens gründeten ihre eigene Firma. Zu diesem Zweck warben sie mehrere ihrer ehemaligen Kollegen ab und wurden in der gleichen Branche wie ihr ehemaliger Arbeitgeber tätig. Sie nahmen telefonisch und per E-Mail Kontakt zu ihren bisherigen gewerblichen Kunden auf und informierten diese darüber, dass sie jetzt als Geschäftsführer eines ebenfalls am Markt positionierten Unternehmens tätig seien. Eine Einwilligung zur Kontaktaufnahme hatte keiner der Kunden abgegeben. Der ehemalige Arbeitgeber sah darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und nahm die beiden ehemaligen Mitarbeiter auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Erstattung der Abmahnkosten sowie Schadenersatz in Anspruch.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Nach Meinung des Gerichts handelten die ehemaligen Vertriebsleiter hinsichtlich der Telefonanrufe nicht wettbewerbswidrig. Es sei wettbewerbsrechtlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter versuche, Kunden seines früheren Arbeitgebers zu gewinnen. Diese abzuwerben gehöre zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Die einschlägige gesetzliche Regelung setze im Gegensatz zur telefonischen Kontaktaufnahme mit Verbrauchern nicht voraus, dass gewerbetreibende Kunden ihr ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis erklären. Ausreichend sei insofern, wenn auf eine mutmaßliche Einwilligung geschlossen werden könne. Dies könne bei bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen der Fall sei, wenn in einem sachlichen Zusammenhang der persönliche Kontakt genutzt werde, um auf einen Wechsel des Unternehmens aufmerksam zu machen. Demgegenüber stelle die Kontaktaufnahme per elektronischer Post eine unzumutbare Belästigung dar, denn hier sei die vorherige ausdrückliche Einwilligung unbedingte Voraussetzung (BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az.: I ZR 27/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Das Gesetz differenziert in § 7 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zwar zwischen Telefonwerbung und Werbung mittels einer E-Mail. Zu beachten ist jedoch, dass trotz dieser Entscheidung auch Telefonanrufe gegenüber Unternehmen bzw. Gewerbetreibenden grundsätzlich wettbewerbswidrig sein können. Etwa, wenn sie zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen der beruflichen Tätigkeit des Angerufenen führen.
Vorsicht
Auf der anderen Seite muss bei gewerblich genutzten Telefonanschlüssen damit gerechnet werden, dass es zu akquisitorischen Bemühungen von Anrufern (potenziellen Wettbewerbern) kommen kann.
Die Lösung liegt in der Mitte
Deshalb wird eine mutmaßliche Einwilligung von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Angerufenen an der Telefonwerbung vermutet werden kann. Abzustellen ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung. Entscheidend ist, ob der Anrufende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Angerufene erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen.
Wichtiger Hinweis
Die Kontaktaufnahme unter Einbezug einer mutmaßlichen Einwilligung von ehemaligen Kunden stellt auch kein wettbewerbswidriges Verhalten dar. Es besteht, wie die Rechtsprechung schon mehrfach in früheren Entscheidungen festgestellt hat, kein grundsätzlicher Anspruch auf Fortbestand einer einmal geschaffenen Geschäftsbeziehung.
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