Widerruf bei Fernabsatzverträgen - Händler dürfen Versandkosten nicht auf Verbraucher abwälzen
Macht ein Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, sind nach bisherigem deutschen Recht sowohl die in Rechnung gestellten Versandkosten, als auch die Kosten für die Rücksendung zum Händler zu erstatten. Der EuGH hält diese Praxis für rechtswidrig.
Der Fall aus der Praxis
Ein Versandhändler berechnete bei Bestellungen eine Versandpauschale in Höhe von 4,95 €. Erfolgte ein Widerruf des Kunden, erstattete das Unternehmen unter Bezugnahme auf eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Pauschale nicht zurück. Die Verbraucherzentrale klagte gegen diese Bestimmung und bekam in erster Instanz Recht. Im Revisionsverfahren legte der Bundesgerichtshof (BGH) die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Begründung vor, dass das deutsche Recht insoweit nicht mit einer einschlägigen EU-Richtlinie korrespondiere.
Das sagt der Richter
Der EuGH entschied unter Bezugnahme auf die Richtlinie 97/7, dass nach entsprechender Auslegung der Regelung dem Verbraucher gegebenenfalls nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung nach Ausübung seines Rücktrittsrechts in Rechnung zu stellen sei. Nicht umfasst seien alle weiteren Kosten, insbesondere nicht jene der Zusendung der Ware. Sinn und Zweck der Richtlinie sei es, eine angemessene Risikoverteilung bei Fernabsatzgeschäften zu gewährleisten. Dies könne nur erreicht werden, wenn der Verbraucher nicht aufgrund der doppelten Kostenauferlegung davon abgehalten werde, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Die angegriffene Klausel könne diesem Erfordernis nicht Genüge tun (EuGH, Urteil vom 15.04.2010, Az.: Rs C-511/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Es bleiben offene Fragen. Onlinehändler dürften jetzt mit noch mehr Unsicherheiten zu kämpfen haben. Insbesondere wegen der bisher geltenden 40 €-Klausel. Diese zäumt das Pferd von hinten auf. So werden die Händler bei einem Warenwert von mehr als 40 € sowohl mit den Zusendungs-, als auch mit den Rücksendekosten belastet. Jetzt besteht Hoffnung, dass diese Regelung im deutschen Recht gekippt wird und der Kunde wenigstens seinen Anteil an einer interessengerechten Risikoverteilung trägt.
Andererseits bleibt nach wie vor ungeklärt, was passiert, wenn nur ein Teilwiderruf erklärt wird. Denn in Artikel 6 der Fernabsatzrichtlinie ist bestimmt, dass lediglich die Kosten der Rücksendung, die infolge seines Widerrufsrechts entstanden sind, dem Verbraucher anzulasten sind. Werden also mehrere Artikel verschickt und wird nur hinsichtlich eines Teils der Waren der Rücktritt erklärt, müsste konsequenterweise der quotenmäßige Anteil heraus gerechnet werden. Ob dies in der Praxis durchführbar ist, bleibt abzuwarten.
Checkliste zum Download
Welche Informationspflichten Sie bei einem Widerrufsrecht besonders zu beachten haben, erfahren sie anhand unserer Checkliste Informationspflicht Fernabsatzgeschäft.
- Kommentieren
- 8990 Aufrufe