Streitfall Verkehrsunfall: Unfallverursacher muss stets sämtliche Reparaturkosten ersetzen
Reparaturkosten nach Verkehrsunfall: So wird abgerechnet
Nach einem Verkehrsunfall stehen dem Unfallgeschädigten in aller Regel Ansprüche auf Ersatz der durch den Unfall an seinem Fahrzeug verursachten Schäden gegen den Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung zu.
War der Unfall für den Geschädigten auch unter Beachtung der größtmöglichen Sorgfalt nicht vermeidbar, so kann er Ersatz des gesamten Schadens verlangen. Zumeist ist der Ersatzanspruch des Geschädigten jedoch wegen der Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs oder wegen eines Mitverschuldens gemindert, sodass er nur einen Teil des Schadens entsprechend des Verschuldensanteils des Unfallgegners fordern kann.
Wichtiger Hinweis
Als Betriebsgefahr wird die dem Kraftfahrzeug (Kfz) durch seine latent innewohnende Gefährlichkeit bezeichnet. Damit sind alle der Natur des Kraftfahrzeugs entspringenden Umstände gemeint, die bei dem Betrieb des Kfz unter den gegebenen Umständen Gefahren für die beteiligten Personen oder Güter mit sich bringen. Diese abstrakte Gefährlichkeit führt zu der im Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelten verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung des Halters für diejenigen Personen- und Sachschäden, die bei dem Betrieb des Kfz entstehen.
Diese Ansprüche können Unfallgeschädigte gerichtlich einklagen
Der Unfallverursacher ist nach den im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerten Grundsätzen des Schadensrechts verpflichtet, den Unfallgeschädigten grundsätzlich so zu stellen ist, als sei das schädigende Ereignis (Verkehrsunfall) nicht eingetreten. Allerdings darf der Geschädigte nach dem Unfall nicht besser stehen als vor dem Unfall. D. h. durch die Ersatzleistung erlangte Vorteile kann der Schädiger bzw. die Versicherung von der Schadenersatzleistung in Abzug bringen.
Grundsätzlich hat der Unfallgeschädigte gegen den Unfallverursacher Anspruch auf Ersatzleistungen hinsichtlich nachstehend aufgeführter Positionen:
- Sachschäden am Fahrzeug (Schadenersatz für das beschädigte Kfz)
- Merkantiler Minderwert (finanzieller Ausgleich der Differenz des Wertes des Kfz vor und nach der Reparatur)
- Sachschäden an anderen durch den Unfall beschädigte Gegenstände (z. B. Kleidung, Brille, Schuhwerk)
- Ersatz der Heilbehandlungskosten (z. B. Arztkosten, Krankenhauskosten, Rehabilitationskosten)
- Schmerzensgeld als Ausgleich für infolge des Unfalls erlittene psychische und psychische Schäden (z. B. langer Krankenhausaufenthalt, veränderter Lebensstil wegen der erlittenen Verletzungen)
- Verdienstausfall
- Nutzungsausfall (für den Zeitraum, in dem der Geschädigte sein Kfz wegen des Unfalls nicht nutzen kann hat er einen Entschädigungsanspruch)
- Auslagenpauschale/Kostenpauschale in Höhe von rund 25 € (pauschaler Schadenersatz für die zur Schadensabwicklung entstandenen Kosten, z. B. Telefon, Fahrt zum Anwalt etc.), bei nachweisbar höheren Kosten sind diese erstattungsfähig
- Anwaltskosten
- Gutachterkosten
- Stand- und Finanzierungskosten
- Abschlepp- und Bergungskosten
- Kosten der Ab-, Um- bzw. Neuanmeldung
Fiktiver Reparaturkostenersatz umfasst auch Lohnnebenkosten und Sozialabgaben
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann bei Geltendmachung eines fiktiven Reparaturkostenersatzes darüber hinaus auch die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben ersetzt verlangen, selbst wenn diese tatsächlich nicht anfallen. Das hat das Amtsgericht (AG) München bestätigt. Kein Unfallgeschädigter ist gezwungen, sein infolge eines Verkehrsunfalls kaputtes Auto reparieren zu lassen.
Der Fall
Nach einem Verkehrsunfall ließ der geschädigte Autobesitzer sein Fahrzeug begutachten. Der Sachverständige bezifferte die Kosten für eine sach- und fachgerechte Reparatur auf netto 16.512 € einschließlich eines Betrages für Lohnkosten in Höhe von 7.688 €. Diesen Betrag forderte der Autobesitzer vom Unfallverursacher. Dieser zahlte allerdings nur 15.743 €. Er argumentierte, dass das Fahrzeug tatsächlich nicht repariert worden sei und die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben daher auch nicht angefallen seien. Ein Abschlag von 10 Prozent sei daher auf jeden Fall gerechtfertigt. Damit war der geschädigte Autobesitzer nicht einverstanden und klagte die volle Summe ein.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht folgte den Argumenten des Unfallverursachers nicht. Die von dem Kfz-Sachverständigen ermittelten voraussichtlichen Reparaturkosten von netto 16.512 € seien vollumfänglich erstattungsfähig. Der Beklagte sei nicht berechtigt, auf die enthaltenen geschätzten Lohnkosten von netto 7.688 € einen Abschlag von 10 Prozent vorzunehmen. Ein Geschädigter könne den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des früheren Zustandes des Pkws erforderlich sei. Er sei damit grundsätzlich berechtigt, seinen unmittelbaren Sachschaden fiktiv abzurechnen und mithin die Kosten, die bei einer sach- und fachgerechten Reparatur der beschädigten Sache üblicherweise anfallen würden, zu verlangen.
Diese Kosten setzten sich aus einer Reihe von Positionen zusammen. Zu ihnen gehörten nicht nur die Einkaufspreise für die Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien sowie die Nettolohnkosten für die Mechaniker, Lackierer und Elektroniker, sondern auch die Anteile an den allgemeinen Anschaffungs- und Betriebskosten, der Gewinn sowie die Steuern und Sozialabgaben. Eine Unterscheidung, ob diese Faktoren auch wert- oder nur preisbildend sind, werde dabei grundsätzlich nicht vorgenommen. Eine Ausnahme enthalte das BGB lediglich für die Position der Umsatzsteuer. Diese sei nur erstattungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei, da der Geschädigte zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als ohne das schädigende Ereignis gestellt werden solle. Für die Positionen der Lohnnebenkosten und Sozialabgaben mache das Gesetz eine solche Einschränkung dagegen gerade nicht (AG München, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 332 C 1529/12).
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