Arbeitsgerichtsbarkeit ist für Geschäftsführer nicht zuständig
Arbeitsgerichtsbarkeit unzuständig: Geschäftsführer sind keine Arbeitnehmer
Geschäftsführer haben in der Regel - wie jeder Arbeitnehmer - einen Anstellungsvertrag, der als Geschäftsführeranstellungsvertrag oder Geschäftsführervertrag bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (siehe „Das sagt das BGB“). Trotz der Parallelen beim Anstellungsvertrag wird kein Geschäftsführer von seinem Arbeitgeber oder vom Gesetzgeber wie ein „normaler“ Arbeitnehmer behandelt. Für Streitigkeiten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag sind deshalb regelmäßig die ordentlichen Gerichte (Landgericht) zuständig und nur ausnahmsweise die Arbeitsgerichtsbarkeit.
Fehlende Arbeitnehmereigenschaft versperrt Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit
Geschäftsführer gelten nicht als Arbeitnehmer. Die fehlende Arbeitnehmereigenschaft verwehrt den Geschäftsführern den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit, d. h. diese können grundsätzlich nicht vor den Arbeitsgerichten klagen. Dies musste aktuell ein GmbH-Geschäftsführer erkennen, der davon überzeugt war, ein „Arbeitnehmer“ zu sein. Die bloße Überzeugung reicht nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg jedoch nicht aus, um ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) zu begründen und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu eröffnen.
Der Fall
Die Parteien streiten über die Beendigung eines oder mehrerer Vertragsverhältnisse des Klägers durch Kündigung des Insolvenzverwalters. Am 01.01.2006 schloss der Kläger einen Dienstvertrag mit einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Er arbeitete als Geschäftsführer für die Gesellschaft. Die gGmbH gründete in der Folge verschiedene Tochterunternehmen, bei denen der Kläger ebenfalls zum Geschäftsführer bestellt wurde. Schriftliche Verträge dazu oder andere schriftliche Verträge zwischen dem Kläger und den Tochtergesellschaften wurden nicht geschlossen. Der Kläger behauptet, mit der gGmbH und den Tochtergesellschaften jeweils in mündlicher Form eigenständige Arbeitsverträge zeitlich vor und unabhängig von seiner dortigen Geschäftsführerbestellung geschlossen zu haben. Nähere Angaben zu Tatsachen, die damit in Zusammenhang stehen, machte der Kläger nicht. Zur Klärung des Sachverhalts zog er vor das Arbeitsgericht, das jedoch den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärte und den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) Berlin verwies. Damit war der Kläger nicht einverstanden und ging in Berufung.
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Die Berliner Richter bestätigten die Entscheidung der Vorinstanz. Die Gerichte für Arbeitssachen seien gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) (siehe „Das sagt das ArbGG“) ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. In Betrieben einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gälten nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG diejenigen Personen nicht als Arbeitnehmer, die die gGmbH vertreten dürfen. Dies seien typischerweise die Geschäftsführer. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) seien allerdings Sonderfälle denkbar, in denen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch (ehemaligen) Geschäftsführern offenstehe. Um einen solchen Sonderfall annehmen zu können, genüge die pauschale Behauptung, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, jedoch nicht, denn eine Rechtsansicht könne einen schlüssigen Vortrag nicht ersetzen. Stets sei eine – gegebenenfalls streitige – Tatsachengrundlage erforderlich. Der Kläger habe im Streitfall aber nicht einmal vorgetragen, wann und mit wem er einen Arbeitsvertrag geschlossen habe und dass er konkrete Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort oder Inhalt seiner Tätigkeit erhalten habe (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.12.2012, Az.: 10 Ta 1906/12).
Wichtiger Hinweis
Ein vom LAG Berlin-Brandenburg erwähnter Sonderfall liegt z. B. vor, wenn ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt wird und der Arbeitgeber es versäumt, einen entsprechenden Dienstvertrag (GmbH-Geschäftsführer-Vertrag) mit dem neuen Geschäftsführer zu vereinbaren. In dieser Konstellation ist für den GmbH-Geschäftsführer der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet, d. h. er kann vor dem Arbeitsgericht klagen und dabei nicht nur Ansprüche aus seiner Zeit als Arbeitnehmer, sondern auch aus der Zeit als Geschäftsführer geltend machen (BAG, Urteil vom 23.08.2011, Az.: 10 AZB 51/10).
Praxis-Tipp
Wird ein Arbeitnehmer durch einen nicht in Schriftform vereinbarten Geschäftsführervertrag zum GmbH-Geschäftsführer bestellt, so besteht für ihn die Möglichkeit, sich bei einem etwaigen Rechtsstreit für die Arbeitsgerichtsbarkeit zu entscheiden.
Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig: Geschäftsführer schließt „Arbeitsvertrag“
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass einem GmbH-Geschäftsführer der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten offen steht, wenn er mit seinem Arbeitgeber statt des üblichen Geschäftsführeranstellungsvertrags eine arbeitsvertragsähnliche Vereinbarung geschlossen hat. Werden dem Geschäftsführer im Vertrag Arbeitnehmeraufgaben zugewiesen, so spricht das für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit (BAG, Urteil vom 26.10.2012, 10 AZB 60/12).
Das sagt das ArbGG
§ 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren
(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für
1. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen;
2. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt;
3. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
a) aus dem Arbeitsverhältnis
b) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses;
c) aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen;
d) aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen;
e) über Arbeitspapiere;
…
§ 5 Begriff des Arbeitnehmers
(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind
Das sagt das BGB
§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag
(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.
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