Gesichtswahrend und bestimmt: So halten Sie ein internationales Team arbeitsfähig
So halten Sie ein internationales Team arbeitsfähig
Am US-amerikanischen Standort ging seit Anfang an nichts so richtig vorwärts. Die Restrukturierungsmaßnahmen in einem international ausgerichteten Mittelstandsunternehmen waren längst beschlossen, das Team an den betroffenen Standorten schon ein gutes Stück vorangekommen. Nur in den USA eben nicht.
Das Teammitglied dort war eine freundliche und Konsens-orientierte Führungskraft. Der lokale Geschäftsführer hatte den jungen Mann in das Restrukturierungsteam abbestellt – weil er ihn sonst gerade nirgends einsetzen konnte.
Leider fand dies der deutsche CRO und Leiter des Restrukturierungsteam erst nach langen Gesprächen und einer außerplanmäßigen Reise nach Seattle heraus. Dieser junge Team-Verantwortliche wurde von seinen Kollegen im Management nicht ernst genug genommen. Ihm fehlte schlicht das fachliche Niveau.
Berücksichtigen Sie kulturelle Besonderheiten
Dahinter stecken auch kulturelle Besonderheiten – in diesem Fall der US-amerikanischen Geschäftskultur: ein ausgeprägter Individualismus und eine geringe Machtdistanz.
Aus beidem folgt eine hohe Orientierung an der Sachaufgabe und weniger an der Beziehung; Entscheidungen und Maßnahmen, an welchen die Kollegen nicht selbst beteiligt waren, werden äußerst kritisch hinterfragt und im Zweifel nicht beachtet. Doch selbst das Aufdecken dieses Zusammenhangs half hier kaum weiter: der deutsche Teamleiter war in Zugzwang, sonst drohte sein Restrukturierungsprojekt zu scheitern. Er musste sein Teammitglied dort austauschen.
Eine solche Situation ist auch in einem homogenen Team nicht einfach und erfordert ein überlegtes und feinfühliges Vorgehen. Eher schwache Teamleiter verschleppen das Durchgreifen gerne, was den Schaden meist noch vergrößert.
In einem internationalen und virtuellen Team kommen aber noch zwei Schwierigkeiten hinzu:
- die andere Kultur, die der Teamleiter nicht immer gut kennt.
- wenig persönlicher Kontakt zwischen Teamleiter und Teammitgliedern.
Wenn jedoch der Leiter nicht handelt, verliert er an Respekt und die Teamaufgabe an Glaubwürdigkeit: dann kann ja alles nicht so wichtig sein ...
Ein Teammitglied austauschen – als allerletzte Möglichkeit
Nicht alle Unstimmigkeiten beruhen allerdings auf kulturellen Unterschieden. Diese werden manchmal gerne vorgeschoben, aber oft gibt es auch individuelle Gründe wie mangelndes Können oder mangelnde Motivation.
Auch gegensätzliche Interessen können manchmal einen Austausch des Teammitglieds erfordern: etwa wenn derjenige durch die Umstrukturierung seine Führungsposition verliert.
Immer aber ist ein Wechsel im Team ein schwerwiegender Eingriff, der nur als letzte Möglichkeit forciert werden sollte – und auch dann erst nach persönlichen Gesprächen mit dem Betroffenen und dessen Vorgesetzten.
Ganz wichtig: Das Gesicht wahren lassen
Wenn ein Teammitglied aus dem Projekt genommen wird, empfiehlt es sich grundsätzlich, gesichtswahrend vorzugehen – auch in solchen Kulturen, in denen das sonst keine so große Rolle spielt.
Der Teamleiter vereinbart dies mit dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten, und legt gemeinsam mit beiden eine schlüssige Begründung und Vorgehensweise fest, die der jeweiligen Kultur entspricht. Wenn sich daran alle halten, bleiben die Gerüchte gemäßigt und das Team findet schneller wieder in einen Arbeitsmodus. Der Teamleiter informiert die übrigen Teammitglieder persönlich zumindest am Telefon, bevor er die personelle Veränderung schriftlich mitteilt.
Entscheidend für das langfristige Ansehen des Teamleiters ist eine ruhige Souveränität. Weder zu langes Gewähren lassen noch ein allzu brachiales Vorgehen werden ihm Respekt verschaffen – in keiner Kultur.
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